Donnerstag, 15. Dezember 2011

Weihnachten

Die vielen Adventskalender, dich in der letzten Zeit in der Schule gebastelt habe, sagen mir, dass es nur noch 9 Tage bis Weihnachten sind. Mein Zeitgefühl sagt mir schon seit einiger Zeit jahreszeitentechnisch gar nichts mehr. Seit dem Abitur war einfach alles so ungeregelt: Aus sechs Wochen Sommerferien wurden drei Monate herumreisen, die relativ nahtlos in die große Reise Georgien übergingen. Es gab keine Herbstferien, ohne Vorwarnung durch stürmischen Novemberregen war plötzlich mein Geburtstag da, dann war Russland, Kälte, Schnee, Winter. Und dann plötzlich Dezember, immer mehr Lichterketten und abstruse andere Weihnachtsbeleuchtung tauchte in Tbilisi auf. Dann kam der Tag, an dem all diese „ich weiß nicht, ob ich es absolut grässlich oder einfach nur kitschig übertrieben schön finde“- Lichtkonstruktionen angeschaltet wurden. So, jetzt ist dann wohl Vorweihnachtszeit?

Im Goodwill, dem Supermarkt, wo es vor allem deutsche Produkte gibt, findet man die üblichen Weihnachtssüßigkeiten. Das ein oder andere Schaufenster ist weihnachtlich dekoriert. Immer mal wieder hört man „Oh Tannenbaum“, neulich saßen wir tatsächlich mit unserer mittlerweile auf fünf Leute angewachsenen engsten deutschen Blubberblase in unserem Wohnzimmer, vor unserem Adventskranz, mit selbstgebastelten Weihnachtssternen und haben Weihnachtslieder gesungen.

Letztes Wochenende waren wir auf dem Weihnachtsmarkt der Botschaften, wo ich neben einem Schkoadventskalender für eine georgische Freundin auch eine Mininordmanntanne gekauft habe. Am Tag danach haben wir eine Plätzchenbacksession gestartet, die Ihresgleichen sucht.
Wenn man sich in unserer Wohnung umguckt, kann sehen, riechen (Plätzchen und Mandarinen) und fühlen (Kälte, aber keine Heizung), dass es Weihnachten wird. Aber so richtig fühlen kann ich das nicht. Es fehlen einfach so ein paar Dinge: Das Adventspaket von meiner Familie mit dem Christstollen, generell so familieninterne Traditionen, der Klausurenendspurt in der Schule, der Geschenkestress, all so was eben.
Ich weiß nicht genau, wie sich das an Weihnachten anfühlen wird, weg von zu Hause. Weihnachten ist eben doch der Tag, an dem man ganz genau weiß, was die „daheim“ gerade machen, wann sie aufstehen, was sie essen,… Letztes Jahr war meine ältere Schwester an dem Tag in Kanada, bei einer Familie. Ich werde irgendwo in Istanbul sein, bei einem Couchsurfer. Es wird total absurd sein, ich werde nicht per Skype dabei sein, wenn meine Familie ihre Geschenke auspackt oder so. Es ist ein komisches Gefühl.

Aber gleichzeitig freue ich mich schon wahnsinnig auf unseren (natürlich total verplanten) Türkeitrip. Heute hat eine Schülerin von mir die Bustickets für mich, Lisa (Mitbewohnerin), Lukas und Jasper (weltwärts-Freiwillige und in den letzten Wochen Teilzeitmitbewohner) bestellt. Etwa 25 Stunden werden wir durch Georgien und die Türkei tuckern, dann werden wir ein paar Tage a der Grenze zwischen Europa und Asien chillen, in den Bosporus springen, Döner essen, Weihnachten ignorieren oder feiern oder was auch immer und all die Dinge tun, die man halt so tut.

Es wird garantiert lustig, schön und aufregend sein. Und gleichzeitig vollkommen anders eben.

(Fotos von Weihnachtsdekor etc folgen – garantiert!)

Im Land des Weihnachtsmannes

Weihnachtsstimmung in Helsinki


Am Freitagabend war der Plan folgender: Ich wusste, wo meine Marschrutka abfahren würde,  meine finnische Freundin Asiya hatte meine Handy Nr und würde sich dann Samstagmorgen bei mir melden. Eigentlich kein Problem in Sicht. Aber mein Mini-Finnland-Trip wurde um einiges chaotischer als erwartet, dabei hatte ich bei der Konstellation Nora und Asiya schon einiges an Chaos erwartet.
Es begann mit der Marschrutkafahrt durch die Nacht. Um mich rum saßen nur Russen, alle Ansagen bezüglich Grenze, Pausen etc. wurden demnach auf Russisch gemacht und meine einfache Anweisung war „Follow the group!“. Also saß ich in der Marschrutka, stöpselte mir die Ohren zu, versuchte zu schlafen und folgte der Gruppe. Meine Erinnerung an die Fahrt ist sehr lückenhaft und verschwommen. Das liegt einerseits daran, dass ich von den Tagen davor vollkommen übermüdet war, andererseits daran, dass es zwischen Petersburg und Helsinki zwei Stunden Zeitunterschied gibt, obwohl die Städte sehr nah aneinander liegen. Eine Idee des russischen Präsidenten, die ich nicht so wirklich toll finde. Es verwirrt, sehr sogar.

Irgendwann in der Nacht kamen russische Grenzbeamte mit fetten Pelzmützen rein und kontrollierten die Pässe, ich glaube sogar mehrfach.
Irgendwann in der Nacht waren wir an einer Grenzstation. Die Gruppe ging hinein, ich folgte. Der weibliche Teil der Gruppe ging aufs Klo, ich folgte. Die Gruppe ging durch Kontrollen und wieder in der Marschrutka, ich folgte.
Irgendwann in der Nacht waren wir an einer anderen Grenzstation (ich vermute mal die finnische). Die Gruppe tat Dinge, ich folgte.
Irgendwann in der Nacht waren wir an einem Duty- Free- Shop. Die Gruppe ging shoppen, ich folgte, konnte mich aber davon überzeugen, dass es Rittersport auch in Finnland gibt und höchstwahrscheinlich billiger als dort.
Irgendwann am Morgen erreichten wir Helsinki und die Gruppe schlief noch zwei Stündchen in der Marschrutka. Und weil Marschrutkaschlaf bekanntlich der Gesündeste ist, folgte ich und schlief.

Als es dann neun Uhr Ortszeit war, Asiya sich noch immer nicht gemeldet hatte und die Gruppe sich auf zwei Leute inklusive mir reduziert hat, beschloss ich, mal eine eigene Entscheidung zu treffen. Ein Kaffee im McDonalds, sonst hatte noch nichts auf.
In den nächstes zwei Tagen gab es ein kleines Problem: Ich hatte Asiyas Nummer nicht und mein Handy funktionierte in Finnland einfach nicht. Sie wiederum hatte das Problem, dass sie nicht wusste, dass ihre SMS nicht ankamen, sie keine Möglichkeit hatte, ins Internet zu gehen und deswegen davon aus ging, dass ich meine relativ wagen Pläne "Ja du, wir sehen uns dann in Helsinki" umgeschmissen hatte. Erstmal war das ziemlich nervig, im Nachhinein finde ich es zwar schade, dass ich deswegen Asiya nicht wiedertreffen konnte, aber letztendlich hatte ich ein richtig schöne Zeit in Helsinki, die ich sonst nicht so gehabt hätte.
Wenn man mit einem riesigen Wanderrucksack im Winter durch Helsinki stampft, fällt man auf und lernt Leute kennen. Einen israelischen Ex-Basketballspieler zum Beispiel, der momentan einer Freundin bei einem Friseurstand aushilft und mir kostenloses Internet besorgte. Oder Chinesen, die man im Hostel trifft, in das man dann doch gehen musste. Oder Security-Leute am Bahnhof, die einem ein Hostel empfehlen. Oder oder oder. Es war meine erste „Allein reisen“-Erfahrung und es stimmt: Alleine lernt man doppelt so viele Leute kennen wie sonst. Weil man ja nicht alleine bleiben will und dementsprechend Leute kennen lernen will und muss.

Zur Stadt: Wie schon in Petersburg habe ich nicht viel vom Hellen gesehen, weil die Sonne gegen 10 auf und gegen 15 Uhr unter geht. Aber es weihnachtete sehr und die Finnen sind sehr stolz darauf, dass der Weihnachtsmann aus ihrem Land kommt. Also habe ich ein bisschen Weihnachtsmarktstimmung genossen, ein bisschen (viel) Geld ausgegeben (Euros sind ja SO ungewohnt!), und mich einfach durch die Stadt treiben lassen.

Helsinki war in zweierlei Hinsicht ein Abschluss: Erstens natürlich der Abschluss meiner Zwischenseminar-Extended-Reise, der Reise Richtung Westen. Anderseits machte es auch ein bisschen meine Skandinavientour vom Sommer komplett, wo ich Dänemark, Schweden und Norwegen erkundet hatte. Und auch Helsinki kommt mit Petersburg zusammen in die Kategorie „War da, muss nochmal hin“. Als ich in Helsinki dann in den Flieger Richtung Tbilisi stieg, war ich trotz all der schönen Stunden und Eindrücke in Russland und Finnland einfach nur froh, bald wieder zu Hause zu sein. Zu Hause, in Georgien.

Petersburg – Nachts

Caro und ich und die Blutskirche

Nein, es wird in diesem Blogeintrag nicht um die berühmten „Weißen Nächte“ gehen. Im Winter sind in Petersburg nämlich nicht nur die Nächte, sondern eigentlich auch die Tage schwarz.
Das führt unter anderem zu schwarzem Humor und der führt allgemein immer zu einer Menge Spaß. Und den hatten wir.

Der erste Abend war für die Banja (russische Sauna) reserviert. Und Banja könnte genauso gut SaunaXXL oder so heißen. Es gibt da die eigentliche Sauna, dann natürlich Umkleiden, Bad etc. Soweit, so gut. Aber das ist noch längst nicht alles. Eine russische Sauna bietet alles, was das Herz begehrt: Fitnessraum, Billiard, Bar, Doppelzimmer, …  Die Doppelzimmer führten zu zwei elementaren Fragen: „Kann man die Nutten an der Kasse zusammen mit Badeschlappen bestellen oder muss man die selbst mitbringen?“ und noch wichtiger: „Zahlt kulturweit das? Gehört das dann zu Übernachtungen? Oder zu ‚kulturelles Programm‘?“ Fragen über Fragen, die man bei einer guten Partie Profi-Billiard vergessen kann: „Wir machen das jetzt einfach so: Jeder Knall ein Punkt!“
Schon vor dem Saunagang wurde uns von den Laubbüscheln zum „Abklopfen“ erzählt. Naja, manche kennen den Unterschied zwischen abklopfen und zuschlagen nicht – aber hey, ist gut für die Durchblutung!
Die so entstandene gute Laune nahmen wir dann noch mit in eine schöne kleine Bar irgendwo in Petersburg, wo wir den Abend ausklingen ließen.

Nein, kein Goldfischglas - ein 3-Liter-Bier-Krug
Donnerstagabend stand dann mal „echte“ Kultur an: Der Nussknacker. Mein zweites Ballett (Schwanensee hatte ich in Tbilisi ja gesehen). Und ich fands richtig toll. Ich habe vom Ballett ja keine Ahnung, aber allein die Kulisse, die Kostüme und das Orchester. Ohja, da hab ich tatsächlich das gute alte Auswahlorchester vermisst:) Zwar waren einige von uns auch ein bisschen damit beschäftigt, nicht einzuschlafen, aber das heißt ja noch lange nicht, dass die Aufführung schlecht war.
Danach gingen wir typisch russisch japanisch essen: Sushi, für mich zum ersten Mal. Ich muss sagen, so richtig geil fand ich’s nicht. Umso besser war dann die Fortsetzung des Abend in einer richtigen russischen Kneipe, die uns Hannes (Freiwilliger in Petersburg) zeigte. Der erste Eindruck: Oha, die Russen! Auf den Tischen räkelten sich Polizisten, andere fotografierten das. Wir haben das dann einfach mal unter "andere Länder, andere Sitten" abgestempelt, ignoriert und das super Spezialangebot „Bestell 3 Liter Bier, spar 10%“ genossen. 
Zum bestellten Bier gab es Trockenfisch, der dafür, dass er tot und getrocknet war, noch ziemlich lebendig aussah. Man soll ja nicht mit Essen spielen, aber da wir die Fische eh nicht als essen ansahen… Ich lass mal die Fotos sprechen. Nach der legendären „Der Fischverteiler als solcher kämpft für Ethik und Moral!“-  Aktion auf den Straßen, Pfützen und Türschlössern Petersburg beendeten wir den Abend im Hostel mit dem letzten Rest des Chachas (georgischer Nationalschnaps). Daraus gelernt haben wir: Chacha gemischt mit frischem Früchtetee kann man machen, muss man aber nicht. Und direkt vorm Schlafengehen ergibt es auch nicht so richtig viel Sinn.



Am Freitagabend hieß es dann für mich schon wieder Abschied nehmen. Der Tag war der letzte Seminartag, wir alle schauten ein bisschen in die Zukunft, schrieben „To Do“- Listen und ich glaube, die meisten von uns hatten auch schon ein bisschen Heimweh nach ihrem Land. Nach dem offiziellen Ende starteten Caro und ich eine exzessive Shoppingtour: Weder in Novosibirsk noch in Tiflis gibt es schließlich H&M, außerdem musste Caro mir die besten russischen Läden empfehlen – ganz im Sinne von „in eine neue Kultur eintauchen“, finde ich;) Wir beendeten das ganze traditionell mit ein paar Blini, um dann noch ein bisschen Sightseeing zu machen. Eigentlich wollten wir uns noch mit ein paar anderen an der Basilika (Blutskirche) treffen, das klappte aber nicht. Na gut, machen wir eben ein paar „Ich war da“- Fotos und machen dann das, was wir immer machen: Mädchengespräche bei zwei Double Cappuccinos für den Preis von einem (was dann in etwa deutschen Preisen entspricht) im кофе хауэ! Dann hieß es für mich auch schon Abschied nehmen: ich wollte ja noch weiter nach Helsinki um dort meine Freundin Asiya, die ich aus Holland kenne, zu treffen. Ich hatte mir einen Platz in der Nacht-Marschrutka reservieren lassen und musste deswegen gegen 22 Uhr los.

So richtig kennengelernt habe ich eher die anderen Freiwilligen als Petersburg. Ein bisschen schade ist das zwar, aber meine Chancen, mir Petersburg bald nochmal genauer anzugucken, stehen gar nicht so schlecht: Allzu teuer sind die Flüge nicht und ich habe jetzt die besten Möglichkeiten, an ein Visum zu kommen:)

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Petersburg – Tagsüber

Nachdem wir erst den Flug nach Petersburg verpasst hatten und dann auch gleich am nächsten Morgen erst mal wieder raus aus der Stadt gefahren sind, waren wir mittwochmittags dann endlich wirklich in der Stadt angekommen.

Den Flipchart-Teil des Seminars hatten wir ja schon in Pionierlager erledigt, jetzt konnte es an den Russland-Teil des Seminars gehen. Das hieß zum einen, dass wir uns im weitesten Sinne „Projekte“ angeschaut haben, die es in Petersburg so gibt. Zum anderen hieß das, „den Russen an sich“ zu imitieren.

Projekte – ein absolut schwammiger Begriff, der wirklich alles bedeuten kann. Wir schauten uns in den verbleibenden Tagen in Petersburg ganz verschiedene an. Da gibt es zum einen NGOs, wie zum Beispiel „Citizen’s watch“, die sich für Bürgerrechte einsetzen. Caro, Kristina und ich führten eine Art Interview mit einem älteren Herren, der für diese Organisation arbeit, und einfach nur Spannendes und Schockierendes über Dinge erzählte, die in Russland so vor sich gehen. Ich  selbst konnte nicht alles verstehen, erstens hörte ich nur die Übersetzung, zweitens habe ich einfach keine Ahnung von Russland – das ist mir hier wieder mal aufgefallen. Ein interessantes Zitat ist vielleicht seine Antwort auf die Frage, ob er denn keine Angst hätte (vor Polizei und Co): „Ich bin so alt, ich brauche keine Angst mehr haben.“

Am nächsten Tag konnten wir uns zwischen „Sozial“ und „Politisch“ entscheiden. Weil es sich bei „Sozial“ um einen Second-Hand-Laden handelt, entschied ich mich zusammen mit Lisa, Daniil und Caro hierfür – eine gute Entscheidung. Der Laden sammelt Kleiderspenden und spendet den Erlös aus dem Verkauf. Eine gute Idee, die wir natürlich unterstützen wollten. Vollkommen uneigennütziges Shopping für kleines Geld, so muss eine „Gute Tat“ doch aussehen, oder?

Ein weiterer Programmpunkt lautete „Treffen mit GUS-Experten“. Und das war wörtlich zu nehmen. Ich weiß gar nicht genau, wer die Frau war, mit der wir sprachen, habe weder Namen noch genauen Beruf. Ich kann nur sagen, dass sie über alle ehemaligen Sowjetstaaten (ich glaube es sind 15) ungefähr alles wusste. Total spannend, vor allem, weil der Rest der Programmpunkte natürlich ziemlich auf Russland fokussiert war und wir so mal ein bisschen Input über die politische Lage Georgiens von einer „Außenstehenden“ bekamen. Beeindruckend, wie man so viel wissen kann. 

Geschichten aus dem Pionierlager

Internationale Marken, riesige Leuchtreklamen, geregelter Straßenverkehr, Touristen im November, Sowjetbauten, Kyrillisch, Laut, Schnell, Unbekannt – Moskau. Schön und so anders als Tbilissi. Europa.

Eine kurze Nacht in Sankt Petersburg.

Eine Marschrutka- Fahrt.

Ein langer Zaun, weite Wälder, ein riesiger See, Discokugeln im Speisesaal, Fußspuren im Schnee, Lautsprecher an den Bäumen, Kekse, Flipcharts, Kreppband, Energizer, Standbilder, Diskussionen – kulturweit-Zwischenseminar.


Russland, Georgien, Tadschikistan, Kasachstan, Belarus und Usbekistan



In einem ehemaligen Pionierlager irgendwo im Wald „in der Nähe von Sankt Petersburg“. Irgendwie genauso wie der Werbellinsee, nur ein bisschen kälter, ein bisschen familiärer (18 statt 195 Freiwillige), ein bisschen weiter im Freiwilligen Sozialen Jahr eben.
Ich könnte jetzt verschiedene „Programmpunkte“ aufzählen, aber das würde nicht rüberbringen können, wie unser Seminar war. Ich sollte vielleicht erst mal sagen, dass ich wirklich sehr auf Seminare stehe. Ich fand sie beim Vietnamprojekt toll, ich hatte eine Menge Spaß in Mazedonien und Holland und ich gehörte auch beim Vorbereitungsseminar zu denen, die begeistert jeden Energizer mitgemacht und jedes Kulturmodell abgemalt haben. Ich steh auf „abends noch zusammensitzen“, auf „Oh Shit, jetzt ists halt fast schon wieder morgen und das Frühstück ist doch um 8“, auf „Programm-Essen-Programm-Essen-Programm-Kaffeepause-Programm-Essen-Oh, es ist schon wieder ein Tag rum“. Und ich stehe auf Geschichten aus dem Ausland. Und all das gab es. Wir haben Fieberkurven gemalt (und ich habe mich drüber gefreut, dass meine eigentlich positiv angefangen hat und weiter aufsteigt), wir haben die Angst vorm Langzeitprojekt besiegt, wir haben lokale Spezialitäten geteilt (und illegale Substanzen alias Mineralwasser aus Georgien eingeschmuggelt), kasachisches Geld bewundert, russisches "Tom und Jerry" geguckt, wir haben verglichen, zurückgedacht, gequatscht, Quatsch gemacht, uns kennengelernt, auf dem glitschigen Steg getanzt, mit Heizkörpern gekuschelt, Blini gegessen…

Und schon waren die zwei Tage im Nirgendwo vorbei und wir waren wieder in der Marschrutka Richtung Zivilisation.

(Bilder gibts demnächst dann mal)

Weiter gehts

Gerade holte mich mein schlechtes Gewissen ein. Es tauchte auf in Person von Caros Blogeintrag über St.Petersburg. Also starte ich das Ding jetzt mal und arbeite meine „To blog“- Liste ein bisschen auf.

Es folgen jetzt also mal wieder ein paar Einträge auf einmal, einigermaßen chronologisch.

Montag, 5. Dezember 2011

Schüleraustausch

Nur ein kurzer Hinweis:
Auf www.3monatedeutschland.blogspot.com gibt es alle wichtigen Infos zu meinem aktuellen Hauptprojekt (neben Adventskalender basteln). Bitte mal draufklicken! Danke:)

Freitag, 2. Dezember 2011

Moskau, Moskau, werft die Gläser an die Wand!

Zwei Tage war ich in Moskau, hier ein paar Gedanken dazu:

Tage/Nächte
Am ersten Morgen im Hostel lernen wir beim Zähneputzen ein paar Deutsche (aus Stuttgart, weisch?) kennen, die uns mit den Worten „Kommt ihr auch gerade nach Hause?“ begrüßen. Nein, wir stehen gerade auf, aber wir verabreden uns zum weggehen abends und freuen uns darauf, endlich mal wieder die Nacht zum Tag zu machen! Der Plan wird dann auch verwirklicht und zusammen mit Deutschen, Engländern, Brasilianern, Russen und wasweißich gehen wir am Abend in einen süßen kleinen Club, wo wir feststellen, dass es tatsächlich Menschen/Russen gibt, die im Rollkragenpullover in die Disco gehen. Aha, naja, andere Kultur und so…;)

Kommunisten
Letztes Jahr im Sommer war ich ja in Vietnam. Neben vielem anderen habe ich dort auch Ho-Chi-Minh alias Onkel Ho alias Kommunist gesehen. In seinem Mausoleum, frisch zuaufbereitet, leicht wächsern aber in guter Verfassung. In Moskau habe ich dann Lenin gesehen. Ihr erinnert euch, der alte Kommunist, der in „Good bye, Lenin“ so gruselig als Statue durch den Himmel Berlins fliegt, ja genau der. In seinem Mausoleum (nach 5km langer Sicherheitskontrolle), frisch zuaufbereitet, leicht wächsern, aber in guter Verfassung. Was habe ich daraus gelernt? Die Kommunisten sind doch alle gleich!
Finde sieben Unterschiede und kringel sie ein!


Kirchen und Accessorize
Bei unserem ersten Sightseeing kündete Caro schon an, dass sie beim Anblick der Basilika quietschen würde. Ich war etwas verwundert, weil ich mir keine Kirche vorstellen konnte, bei deren Anblick man quietschen möchte. Als ich die Basilika dann sah, konnte ich das schon eher verstehen. Von außen schon total putzig mit bunten Zwiebeltürmchen und von innen dann so gar nicht kirchenmäßig. Kein großes Kirchenschiff, keine von diesen (tut mir ja Leid, aber) schrecklich kitschigen Ikonen, stattdessen verwinkelte Gänge und Gässchen, der personifizierte Kitsch mit Blümchen und Ranken und Malereien – kurz: Es war, als hätte der Accessorize-Erfinder die Kirche gestaltet und eingerichtet. Nicht nur Caro, sondern wohl auch die Dicke Tine hätte da gequietscht!




Russland und Europa und Georgien
Ich habe ja schonmal erwähnt, dass Georgien unbedingt in die NATO und die EU will und deswegen überall Europa-Flaggen hängen. Schon bei unserer nächtlichen Fahrt vom Flughafen ins Hostel dachte ich ständig: „Ich bin wieder in Europa!“ Überall internationale Marken, Firmen und Labels in riesigen Leuchtbuchstaben, IKEA, H&M und all das, was es in Georgien eben doch nicht gibt. Dreispurige Straßen, in denen die Autos nicht fünf- sondern eben dreispurig fahren. All sowas eben. Erst in Moskau ist mir aufgefallen, wie heruntergekommen viele Häuser in Tbilissi sind (was sie allerdings nicht weniger schön macht), wie viele Platten es auch im Zentrum der Stadt gibt und so weiter.

Die russische Küche
Ich muss zugeben, Russland hat mich noch nie so besonders angezogen. Osteuropa, ja, aber nicht Russland. Ich kann gar nicht sagen, wie ich mir Russland vorgestellt habe, aber es gab da eben diese diffuse Vorstellung von Sowjet-Architektur, düstere Stimmung, mysteriöse Politik, für mich war Russland einfach eine hundertstöckiges, bröckeliges Hochhaus im tiefen Nebel, mit Frauen auf 10-cm-Highheels und Männern mit Pelzmützen. Und die russische Küche? Naja, deftig, komisch, so halt. Mag sein, dass ich mit Plattenbauten, mysteriöser Politik, Highheels und Pelzmützen sogar Recht hatte. Nicht aber mit „deftig, komisch, so halt.“ Russisches Essen ist – mit Verlaub – richtig geil!
Mein erstes Frühstück in Russland fand in einem Pfannkuchen-Fastfood-Cafe statt (теремок -Teremok), das sagt doch schon alles, oder? Diese „Blinis“ alias Pfannkuchen prägten überhaupt meinen gesamten Aufenthalt in Russland. Auch der Rest war richtig lecker. Erwähnt werden muss hier natürlich auch кофе хауэ (Kofe Haus), wo wir so manche Stunde bei Double Cappuccino und Mädchengesprächen verbrachten.


Die Scorpions

So, neben der Basilika und Lenin wollten wir auch unbedingt den berühmten Gorki-Park finden. Also follow-ten wir der Moskwa, und follow-ten, und follow-ten… und wurden pitschnass und gaben auf, ohne den Gorki-Park zu finden! Kein Wunder, dass in Russland kein „wind of change“ zu spüren ist!

Die Georgien Maybe Time
Jaja. Ähm. Es gab da so ein kleines Problemchen im Zeitmanagement. Kurz gesagt: Wir waren um 19 Uhr am Flughafen, um 20 Uhr ging der Flug. Nun ist es aber so, dass die Russen es mit der Sicherheit sehr genau nehmen und jeden, der aufs Flughafengelände will, erstmal so riiiichtig schön durchchecken. Das Ende vom Lied war, dass wir erst um 19.40h am Gepäckaufgabedings waren und somit viel zu spät. Ein Glück, dass wir Caro dabei hatten, die fließend Russisch kann. Fließend Englisch konnten an dem Flughafen von Moskau nämlich scheinbar nur wir. So mussten wir einen neuen Flug buchen und die Zeit irgendwie rumkriegen.
Määääh. Aber Moment, haben wir nicht noch ne halbe Flasche Vodka? Und Zuckerwatte aus dem Eimer? Und Sonnenblumenkerne? Und stehen da nicht Pappbecher auf dem Nachbartisch? Da könnte man doch…
…sich betrinken und vollfuttern und das machen, weswegen wir ja eigentlich überhaupt nach Moskau gekommen waren: Gläser an die Wand schmeißen! 

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Moskau, Moskau... wir kommen!

Selfmade Burger am Flughafen


So, nachdem ich das Hindernis „Georgische Post“ überwunden hatte, standen nur noch wenige Hindernisse im Weg: Packen, aufräumen, Kühlschrank leeren, zum Flughafen kommen, den Flug überleben, Caro finden.

Packen geht unerwartet schnell, wenn man nur den Inhalt von zwei Koffern zur Auswahl hat und nach Russland fliegt: Alles für den Sommer, Frühling und Herbst aussortieren, den Rest einpacken, dann noch Taschenmesser und Bundeswehrbesteck dazu – fertig. Natürlich habe ich es geschafft, meine Winterjacke in Georgien zu vergessen und 10 Tage zu frieren bzw. bei Caro (die ja gerade in Sibirien ist) Klamotten zu schnorren. Aber davon abgesehen hatte ich wie immer viel zu viel dabei und hatte einen riesigen, fetten Rucksack zu tragen.

Aufräumen verlief natürlich eher oberflächlich, aber ist ja eh keiner da, der’s sieht.

Kühlschrank leeren stellte dann ein Problem dar: Man sollte einfach nicht 10 Minuten vor Abreise damit anfangen. Es endete damit, dass wir die Eier noch schnell kochten und Brot, Frischkäse, Gurke und eben diese einfach mitnahmen. Die Zucchini und noch irgendwas wurde kurzerhand in den Flur gestellt – vielleicht kanns ja ein Nachbar gebrauchen.

Danach stand die Mission „zum Flughafen kommen“ an. Unserer Mietshaus verabschiedete uns mit einem dicken Haufen Hundescheiße im Treppenhaus, was unsere Freude auf Russland noch vergrößerte. Die Option Bus fahren erledigte sich beim Anblick des proppenvollen Busses und unseres Gepäcks, also Taxi Nummer Vier für diesen Tag. Als geübte Fast-Georgier konnten wir einen guten Preis erhandeln und waren dann auch rechtzeitig da. Die übrige Zeit wurde für ein Flughafenpicknick deluxe (jaja, Bundeswehrbesteck ist doch immer wieder nützlich!) mit unseren Vorräten sowie fürs MP3-Player-Laden an PCs des Flughafens (was in Deutschland natürlich kein Beamter machen würde wegen Virus und wegen überhaupt) genutzt.
Beim „Boarding“ sagten wir noch kurz Friederike aus Armenien, deren Zwischenseminar in der Türkei war, Hallo - und dann gings loooos!

Moskau, Moskau…nee doch noch nicht!

Eigentlich hätte es total entspannt beginnen können: Am Freitag (18.11.) musste ich nicht mehr in die Schule und unser Flug ging auch erst gegen 18 Uhr. Also konnte ich ein bisschen ausschlafen und wollte gerade zu packen anfangen, als mich die Post anrief. Ja, ich hab schon öfter mal über die georgische Post gemotzt (und angesichts der Tatsache, dass sie mir immer noch zwei Päckchen und fünf Briefe vorenthält ist das auch gerechtfertigt), aber immerhin rufen sie an, wenn was für mich da ist.

Jedenfalls hatte ich meine letzte Odyssee zu „meiner“ Poststation noch in unguter (weil kompliziert und lang – wie das bei einer Odyssee halt so ist) Erinnerung, also gönnte ich mir den Luxus eines Taxis (innerhalb der Stadt etwa 2€). Angekommen bekam ich erstmal einen Brief ausgehändigt und dazu noch eine Art Überweisungsschein, mit dem ich ein Päckchen bei der Zentralpost abholen sollte. Also wieder ins Taxi, die Zeit läuft schließlich.

Weil aber in gewissen Stadtteilen gerade ganze Straßenzüge renoviert werden, konnte mich der Fahrer nur „in der Nähe“ rauslassen. Mir stand ein halbstündiger Fußmarsch bevor. Aber dank meines hervorragenden Georgisch konnte ich mich durchfragen. Dann noch eine halbe Stunde warten wegen Öffnungszeiten – seit wann gibt’s denn sowas? Praktischerweise haben Läden in Georgien doch eigentlich immer und vor allem auch sonntags auf! Aber gut, was tut man nicht alles für ein Päckchen aus der Heimat. In dieser halben Stunde entstand dann eine immer größere Menschentraube vor der Tür, in die ich mich auch wagemutig hineinschmuggelte. Als die Tür schließlich aufging, strömten all die Post-erfahrenen Georgier sofort zum jeweiligen Schalter, während ich erstmal planlos rumlief und dann auf gut Glück einfach mal irgendwohin ging.
Da hieß es dann Formulare ausfüllen, Pass zeigen, Überweisungsschein zeigen, lächeln, lächeln, „sorry, but my flight is going in less than one hour“- lügen und dann auch noch „Empfangsgebühren“ in Höhe von 2,50€ zahlen – bis ich schließlich ein in buntes Geschenkpapier gepacktes Päckchen erhielt! Was drin war, konnte ich leider größtenteils schon am Zollzettel erkennen. Aber glücklicherweise hatte Lara (Schwester, nicht Mitbewohnerin) nicht alles angegeben, sondern die Marzipankartoffeln ins Land geschmuggelt. Danke nochmal!

So, Päckchen bekommen, also nix wie nach Hause, schließlich musste ich ja noch packen und aufräumen und all sowas. Ab ins Taxi Numero Drei, meine Adresse und vorsichtshalber noch den Stadtteil (meine Straße gibt’s zweimal) gesagt. Nach ewigen Irrfahrten wurde mir dann klar, dass der Typ das mit dem Stadtteil wohl nicht kapiert hat. Ich wurde immer aggressiver, habe ihn dann halt selbst gelotst und seit Taxi zur Strafe mit Geschenkpapier vollgemüllt.

So, irgendwie hab ich es dann doch noch rechtzeitig nach Hause geschafft. Aber das erklärt jedenfalls irgendwie, warum bisher von 3 Päckchen und 6 Briefen nur jeweils eins bis in meine Wohnung gekommen ist. Georgische Post – wir werden uns wiedersehen!