Dienstag, 18. Dezember 2012

Gen Osten - endlich mal wieder

Georgisches Borjomi-Wasser // Ausblick von einem Kirchturm // ein hässlicher Weihnachtsbaum

Es gibt unterschiedlichste Methoden, Zeit zu messen: Kerzenuhren, Sonnenuhren, Stoppuhren. Sekunden, Minuten, Tage, Wochen, Monate, Jahre. Augenblicke.

Vor Weihnachten gibt es dann das bekannte – nicht messbare –  Phänomen, dass die Zeit gleichzeitig rast und schleicht. Sie rast, weil man noch lange nicht alle Geschenke hat, weil man ja noch Plätzchen backen, einen Baum fällen, Lieder singen, besinnlich sein etc. wollte. Sie schleicht, weil die Zeit vor Ferien halt immer schleicht. 

Dieses Phänomen, dass die Zeit gleichzeitig rast und schleicht hat aber nicht unbedingt was mit Weihnachten zu tun, sondern einfach mit besonderen Zeitpunkten. So ein besonderer Zeitpunkt war beispielsweise auch das erste Adventswochenende: Der Zeitpunkt meiner ersten Reise, seit ich im September wieder deutschen Boden betreten habe. Und jetzt dürfen alle, die mich kennen, denken, dass das ja wohl wieder typisch Nora sei:
1. Die Reise ging nach Osten (Polen, um genau zu sein).
2. Gezahlt hat der Steuerzahler (die Uni, um genau zu sein).

Hier also mal wieder etwas, das hoffentlich nicht nur Reisebericht ist:
Vor dem Wochenende geht die Zeit eigentlich ihren gewohnten Weg, weil die ganze Planung recht entspannt ist.
Anders gesagt, ich selbst muss gar nichts planen, sondern nur auf die Frage: „Wer will mit auf Exkursion?“ mit „Ich!“ antworten und dann abwarten. Außerdem kann ich es irgendwie eh noch nicht so ganz glauben, dass ich mal so eben für ein Wochenende nach Polen fahre. 
Am Freitag geht es dann los: Mit einer Millionen Regionalzüge fahren wir gen Osten. Es wird dunkler, die Züge ein bisschen leerer, irgendwann kurz vor der polnischen Grenze schnappe ich die ersten slawischen Gesprächsfetzen auf. 
Ich hätte jetzt auch „polnische Gesprächsfetzen“ schreiben können, aber für mich ist es allein schon schön, etwas Slawisches zu hören, was genau ist mir relativ egal. Für mich ist es auch allein schon schön, irgendwohin gen Osten zu fahren, wohin genau ist mir relativ egal.
Wir erreichen unser Ziel (Breslau) im Dunklen, steigen aus, werden vom Dozenten auf den wunderschönen Bahnhofsbau hingewiesen, suchen der Reihe nach nach einer Bank, einer Wechselstube und unserem Hostel. Finden schließlich alles, finden unser Hostel ziemlich schön, finden unsere Mägen ziemlich leer und machen uns auf Restaurantsuche. 
Auch wenn es dunkel ist, kann man natürlich die üblichen riesigen Reklame-Schilder nicht übersehen und ich freue mich gleich mal eine Runde darüber, dass ich fast nichts verstehe. Über das „nichts“ freue ich mich, weil es bedeutet, dass ich wieder auf Reisen, auf unbekanntem Terrain bin. Über das „fast“ freue ich mich, weil es bedeutet, dass mir meine neuen minimalen Serbisch/Kroatisch-Kenntnisse sogar schon in Polen helfen, wie toll wird das erst in Serbien/Kroatien werden?
Wir marschieren Richtung Innenstadt (unser Dozent marschiert vor, denn er hat eine Karte, wir marschieren hinterher, denn ohne Karte muss man sich ja auf irgendwen verlassen). Auch in Breslau hat man mitbekommen, dass bald Weihnachten ist und dementsprechend dekoriert.
Ich freue mich sogar über die kitschige Weihnachtsbeleuchtung. Irgendwie eine Mischung aus dem, was man aus Deutschland kennt, und dem, was ich aus Osteuropa (Georgien und Armenien) kenne: Ein gemütlicher Weihnachtsmarkt, wo man Glühwein, Crêpes, herum schlurfende Weihnachtsmänner, handgestrickte Socken und Ähnliches kaufen kann – wie in Deutschland. Unglaublich absurd kitschige Weihnachtsbeleuchtung, dadurch taghelle Straßenzüge, ein absolut übertrieben hässlich dekorierter Weihnachtsbaum – wie in Georgien und Armenien.
Wir passieren einige Fastfood-Läden, einige überfüllte traditionellere Restaurants, laufen im Kreis, werden immer hungriger, sind schließlich bereit, egal wohin zu gehen – und gehen in ein Georgisches Restaurant. 
Ich freue mich, und zwar wieder aus zwei Gründen: Der erste ist offensichtlich, es ist halt ein georgisches Restaurant und meine letzte georgische Mahlzeit ist fast so lange her wie meine letzte Reise, es wird also dringend mal wieder Zeit, auch wenn ich natürlich eigentlich jetzt Polnisch essen sollte. Der zweite Grund ist ein bisschen subtiler (und darüber freue ich mich auch nicht ganz so sehr): Ich habe das Restaurant nicht nur am Namen („Chatschapuri“) erkannt, sondern genauso am Untertitel „Gruzinski“, was wiederum für meine Slawisch-Kenntnisse spricht.
Wir essen, gehen wieder ins schöne Hostel und suchen dann das Nachtleben Breslaus. Wir finden eine „Rock’n’Roll-Party“ und anderes. Fürs Frühstück am nächsten Morgen ist die Truppe weitestgehend wieder fit, was man angesichts der riesigen Mengen, die das gemütliche Café direkt unter unserem Hostel für sehr freundliche Preise serviert, auch sein sollte. 

Die Sonne scheint, der Schnee glitzert (die Straßenbeleuchtung ist noch ausgeschaltet), Breslau soll auch im Hellen eine sehr schöne Stadt sein und das gehen wir dann mal überprüfen. 
Wie jede Stadt, die einen Fluss und dementsprechend die ein oder andere Brücke sein eigen nennt, wird auch Breslau ab und an als „das Venedig des…“ angepriesen. Ich war (vor langer Zeit) im echten Venedig, ich war auch schon mal kurz in Amsterdam, Hamburg und Sankt Petersburg. Ich kann also bestätigen: Das sind alles überaus hübsche Städte, wo es Fluss samt Brücken gibt. Wenn das also das einzige Kriterium für die Auszeichnung „das Venedig des…“ ist, darf Breslau diese mit Stolz tragen: Sehr hübsche Stadt, Fluss und Brücken vorhanden.
Wir streunern also mehr oder weniger verkatert durch die schönen Straßen und Gassen Breslaus, irgendwann fällt das Zauberwort „Freizeit“ und wir rennen in das nächstbeste Museum! Nein, quatsch, es geht hier um Studenten, selbstverständlich rennen wir in das nächstbeste polnische Restaurant.
Polnisches Restaurant könnte hier allerdings missverständlich sein. Auf den ersten Blick ist das polnischste an dem Restaurant nämlich einzig und allein die geographische Lage und vielleicht die Sprache auf dem Menü. Wir rennen nämlich zielsicher in ein Ägyptisches Steakhouse mitten in Breslau. Glücklicherweise haben die außer typisch Ägyptischen Steaks, mexikanischer Küche und diversem anderen aber auch Polnisches und wir schlagen dementsprechend zu.
Nachdem wir uns mit „Piroggi“ und irgendeiner sehr guten Apfelstrudelvariante vollgefuttert haben, fällt uns auf, dass die Zeit bis zum nächsten Termin schneller verging als erhofft und wir uns jetzt richtig beeilen müssen, wenn wir noch vorher in einen polnischen Supermarkt wollen. Diverse Genussmittel werden in ungeheuren Massen eingepackt (Zigaretten, Schokolade, anderer Süßkram) und zum Hostel geschleppt. Im Bad schrubben wir uns den Stress aus dem Gesicht, malen uns ein „Wir sind jetzt seriöse Studenten und gehen ins Theater“-Gesicht auf und sind bereit für Kultur.
Das ist das kleine Manko meiner Polen-Reise: Ich kann ja gar kein Polnisch. Jetzt könnte man meinen, dass es etwas seltsam ist, in ein Theaterstück zu gehen, wenn man die Sprache nicht versteht. Andererseits war ich auch in Georgien ab und zu im Theater und habe dort (traurigerweise) bis auf „Hallo“ und „Danke“ nicht besonders viel verstanden. Glücklicherweise war ich aber nicht auf einer Hörbuchpremiere (falls es so etwas gibt), sondern eben im Theater und da kann ja man ja auch gucken. Das hab ich also in Georgien getan und das tue ich auch jetzt: Gucken und nach Worten suchen, die ich verstehe. Ich ende wieder bei „Hallo“ und „Danke“ und plädiere allgemein für mehr Theaterstücke, die ihren Schwerpunkt in den Dialogen auf „Hallo“ und „Danke“ setzen, damit könnte man den Ausländern und Touristen den Zugang zur Kultur eines Landes sehr vereinfachen.
Das Theaterstück ist ziemlich gut anzugucken, auch diejenigen, die es gelesen haben, sind soweit zufrieden. Die nächste Station soll also wieder „Landeskultur erkunden“ heißen: Schoko- bzw. Karamellbier wurde mir vorher als „Das musst du probieren, wenn du in Breslau bist!“ angepriesen, also muss ich das wohl tun. Leider wird in dem Laden, wo man das probieren kann, heute irgendein Boxkampf übertragen, wo offenbar ein Pole mitboxt, weswegen wir keinen Platz mehr kriegen und uns die Stimmung sowieso auch zu kriegerisch ist. Karamellbier trink ich dann wohl nächstes Mal, wenn ich mal wieder in Breslau bin.
Stattdessen verbringen manche von uns den Abend in Elektro-Literatur-Cafe-Bar-Club-wasauchimmer-Etablissements. Und das ist ja auch nicht das schlechteste.

Mein Fazit: Ein Wochenende ist unfassbar wenig Zeit, um eine Stadt kennenzulernen und Breslau hat jetzt einen Ehrenplatz auf meiner langen Liste der Orte, „wo ich schon war und nochmal hinmuss“.
Ist nämlich sehr schön da, falls ich das noch nicht erwähnt habe.

Sonntag, 18. November 2012

გილოცავ - Gilocav!

Vor eine Jahr - wie kann man denn solche Landschaften nicht vermissen?
Seit über dreieinhalb Monaten bin ich schon nicht mehr in Georgien und ihr könnt mir glauben, dass ich grad selber ungläubig auf dreieinhalb ausgestreckte Finger meiner Hand geschaut habe. Drei-Ein-Halb. Achdumeinegüte.
Aber dreieinhalb Monate sind ja nun wirklich kein Grund, nicht mehr über Georgien zu reden oder gar zu bloggen.

Vor etwa zwölf Monaten habe ich zum ersten Mal meinen Geburtstag nicht in Deutschland gefeiert. Unterschiede gab es viele: ich musste an meinem Geburtstag arbeiten, der Großteil meiner Geschenke kam dank der entspannten georgischen Post erst gegen Weihnachten an, ich wünschte mir deutsche Zeitschriften, Käse und Schokolade, mir wurde ungefähr dreisprachig gratuliert: Deutsch, Englisch - Georgisch. Das ist jetzt nicht weiter verwunderlich, aber es zeigt irgendwie, wie sich das Zentrum des eigenen Lebens (geographisch) ziemlich schnell verschieben kann. Dieses Jahr habe ich mir nämlich keinen deutschen Käse gewünscht, momentan kauf ich mir den selber.

Zu dem Zeitpunkt war ich seit etwa zwei Monaten in Georgien und fühlte mich schon ziemlich angekommen. Wir hatten in den ersten beiden Monaten viele unglaublich tolle Ausflüge unternommen, schon einige schöne Ecken Georgiens gesehen und der Winter war noch nicht in Sicht. Außerdem wusste ich, dass ich in wenigen Tagen nach Moskau-Petersburg-Helsinki aufbrechen würde.

Naja, mir wurde also auch viel auf Georgisch gratuliert: "Gilocav dabedebis dre!" - herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Eine der georgischen Äußerungen, die ich niemals vergessen werde (man sieht sie ja auch öfter mal auf "Facebooki").
Als ich dieses Jahr an meinem Geburtstag morgens in die Uni gehe, habe ich als erstes meinen Georgischkurs. Ich komme ein bisschen zu spät (bin noch in dem "ein Georgier rennt keinem Bus/Bahn hinterher"-Modus), der Kurs hat schon begonnen.
Ich setze mich also möglichst unauffällig hin und schaue über den Tisch zu Sopo, die zwar fließend Georgisch spricht, aber trotzdem den Georgisch-Anfänger-Kurs mitmacht und mein erstes "chemi lamazi gogo" in Jena ist. Sopo grinst mir zu und formt "Gilocav" mit ihren Lippen. Ich grinse zurück und forme meinerseits "madloba"- danke.

Ich liebe es, dass Georgien nicht wirklich vorbei ist!

(Und deswegen verzeihe man mir, wenn ich erstens zu oft auf georgisch vor mich hinmurmele, zweitens in Blog-Posts zu oft Georgien-Insider verwende und drittens zu oft von Georgien schwärme. Achso, und dass ich immer von "wir" spreche und damit "wir Georgier" meine. Magram dzaaaan menatrebi chemi saqartvelo!)

Und mir fiel gerade auf, dass ich seit Beginn dieses Blogs schon zweimal das Alter bei "über mich" ändern musste. Ach du je, ich werde wirklich alt.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Alles auf Anfang

Heute hatte ich meine erste Georgisch-Stunde in Jena und habe ungefähr die gesamten 90 Minuten gegrinst, gegrinst, gegrinst.

Vorstellungsrunde. Das kenne ich schon von all den anderen Seminaren, Vorlesungen, Sprachkursen. Mein Studiengang (Südosteuropastudien) ist so klein und offenbar so ungewöhnlich, dass jeder einen ganz persönlichen Grund hat, warum er sowas studiert. Georgisch ist nun wiederum eine so kleine und ganz sicher ungewöhnliche Sprache, dass wirklich jeder einen verdammt speziellen Grund hat. Die Varianten "Bin mal durch Georgien gereist" und "habe eine georgische Freundin" sind unter den etwa 10 Teilnehmern recht verbreitet, am besten gefällt mir jedoch diese Begründung: "Ich fand die Schrift so schön."

Außer mir sitzt noch eine georgische Muttersprachlerin im Kurs, alle anderen sind blutige Anfänger.

Wir lernen also zunächst die georgischen Buchstaben. Wie vor einem Jahr - jeder Buchstabe sieht anfangs aus wie ein kompliziertes Miniaturkunstwerk. und damit wir (bzw die anderen) uns das auch merken können, versucht unsere Lehrerin Natia es mit Eselsbrücken.

- i   "...wie ein Hufeisen!"
- a   "...wie ein Haken!"
- e   "...wie eine Tackernadel!"
- o  "...wie ein Herz ohne Spitze!"

Bei "" (u) fällt Natia so schnell kein Vergleich ein.
"Wie sieht das aus?"
der Kurs - einstimmig: "Schööööööön!"

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Nach und nach lernen wir zu den Buchstaben schon einfach Wörter.
"gogo" (Mädchen), "didi" (groß),...
Beim w fällt selbstverständlich "vaime!" (Alter Schwede!) und die Muttersprachlerin und ich müssen lachen.

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Am Ende der Stunde sagt Natia: "Jetzt könnt ihr sogar schon einen kleinen Satz schreiben!"
Die Muttersprachlerin und ich murmeln leise im Chor: "Ai ia!" (Hier, ein Veilchen!)

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Meine Lehrerin Natia fragt mich nach der Stunde, ob ich mich auch nicht gelangweilt habe.
"Nein, es war soooo schöööön!"
Mit einem erinnerungsseligen Lächeln im Gesicht beeile ich mich, um wenigstens das Ende der Vorlesung, die ich gerade für Georgisch verpasst habe, mitzuerleben.

Freitag, 19. Oktober 2012

Besser als die Russen!


[Deutsche Botschaft Tiflis, Georgien, irgendwann im Januar 2012]
Ich warte auf ein deutsches Visum (für eine Schülerin). Auf ein Deutsches Visum warten kann durchaus ein recht zeitraubender Vorgang sein, deswegen nutze ich die Zeit und lerne georgische Vokabeln. Früher oder später fällt das anderen wartenden Georgiern auf und ich gerate in das übliche „Was machst du hier und ja wie, du sprichst Georgisch?“-Gespräch. Diese Gespräche erlebe ich oft in Georgien und meist endet es damit, dass ich den Satz „Der Frosch quarkt im Wasser“ alias „baqaqi zqalshi qiqinebs“ („q“ steht für ein würgendes Knackgeräusch) deklamieren muss. Die Anwesenden sind begeistert ob meiner Georgisch-Kenntnisse und einer der Anwesenden ist völlig baff und beeindruckt: „Du bist besser als die Russen!“

[ein Teehaus in Doğubeyazıt, Osttürkei, im Juli 2012]

Wir reisen ein bisschen durch Kurdistan und treffen mitten auf der Straße – einen Deutschlehrer. Dieser ist Deutschtürke und begeistert, mal jemand anderen als „diese Türken“ zu treffen und läd uns auf ein Bier ein. Wir sind ehrlich gesagt auch ein bisschen froh, mal jemand anderen als „diese Türken“ zu treffen und sagen zu. Im Laufe des Abends reden wir natürlich auch über Sprachen, sagen unseren mageren türkischen Wortschatz (1-20, was kostet das, schönes Mädchen, fick dich) auf und unser Gegenüber ist begeistert: „Ihr klingt wie echte Türken!“

[ein Seminarraum in Jena, Deutschland, Oktober 2012]

Ich lerne jetzt Serbisch, in meinem Kurs sitzen neben ein paar Deutschen zwei Bulgaren, ein Russe, ein Grieche, ein Slowake und ein Südkoreaner. Wir fangen bei null an, stellen uns gegenseitig vor, zählen bis zehn. Ich freue mich, dass ich in Georgien gelernt habe, wenigstens täuschend echt so zu tun, als könne ich das R rollen. Ich freue mich, dass ich in Georgien doch des Öfteren Kyrillische Buchstaben gesehen habe und die meisten – zumindest passiv und in Großbuchstaben – drauf habe. Und ich merke, dass es nützlich war, wenn mir auf dem Markt in Tiflis keiner glauben wollte, dass ich kein Russisch, dafür aber Georgisch kann: Ich weiß so in etwa, wie Russisch klingt. Nach der Stunde fragt mich Ina aus Bulgarien, welche andere slawische Sprache ich denn schon spreche. „Keine!“ Sie kann es kaum glauben.
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Ich mag Sprachkomplimente, fiel mir die Tage so auf…


Mittwoch, 3. Oktober 2012

Was habe ich eigentlich im August getan...?

[was ich im September tun wollte, aber nicht getan habe: Berichte über meine Reise schreiben, die all den Menschen, Situationen, Abenteuern, Orten... gerecht werden. Was ich getan habe: Eine Art Zusammenfassung für den Lauterbacher bzw Gießener Anzeiger zu schreiben. Genaueres folgt, hoffentlich]
ungefähre Route

Knapp viertausend Kilometer, sieben Sprachen mit drei verschiedenen Schriften, ein Meer und viele Berge liegen zwischen Tiflis und Engelrod. Für die einen bedeutet das etwa sechs Stunden Flugzeit, für die anderen etwa einen Monat Reisezeit. Ich gehöre zu den Anderen.
Elf Monate habe ich in der Hauptstadt der Republik Georgien gelebt und in einem war ich mir sicher: Flöge ich zurück, stände mir ein ordentlicher Rückkehrschock bevor. Darauf habe ich keine Lust, auf einen Monat Reisen hingegen schon. So packe ich am 1.August meine Sachen, wuchte mir den Rucksack auf den Rücken und fahre los.

Ich durchquere den Norden der Türkei, schaue mir verschiedene Ecken des Balkans an, mache einen Zwischenstopp in Slowenien und fahre dann über Österreich bis nach Berlin. Auf meiner Reise treffe ich viele Menschen aus allen Ecken der Welt, sehe schöne Städte und Strände, esse gut und günstig, schlafe in Bussen, Zügen, Hostels, Hotels und auf Isomatten – kurz gesagt: es gibt viele Fotos und noch mehr Geschichten. 

Die Meisten, denen ich auf der Reise begegne, reisen von West nach Ost. Meine Richtung ist das Gegenteil und das prägt auch meine Wahrnehmung. Ich vergleiche die Länder nicht mit Deutschland, sondern mit Georgien; mir entfährt kein spontanes „Entschuldigung“ oder „Alter Schwede!“ sondern die georgische Variante mit „ukazravad“ und „vaime!“. Ich will mich mit dieser Reise auf Deutschland vorbereiten und an den Alltag in Deutschland erinnern. Das gelingt mir recht gut, denn in jedem Land gerate ich in die eine oder andere Situation, die mich denken lässt: „Typisch Europa!“ Die Fotos und Geschichten, die ich mitgebracht habe, sind geprägt von diesem immer wiederkehrenden Eindruck. 


Straßenstände - oben Türkei, unten Georgien
In der Türkei ergeht es mir vor allem in Istanbul so, dem Tor zu Europa. Mitten durch die Stadt verläuft die Grenze zwischen den beiden Kontinenten. Es gibt da zwar unzählige Basare in kleinen Gässchen, die – wenn auch teils sehr touristisch – an 1001 Nacht erinnern. Ein paar Meter weiter aber findet man breite Einkaufsstraßen, hier herrschen dieselben internationalen Marken wie in den deutschen Innenstädten. Istanbul liegt immerhin etwa 1000km westlich von Georgien. Das merke ich auch an den Touristenströmen, die ich aus Tiflis nicht gewohnt bin. Ich befinde mich nun an einer offiziellen Grenze zu Europa und damit ganz offensichtlich auch im Einzugsgebiet von all den Australiern und Amerikanern, die mit „Lonely Planet – Europe on a shoestring“ umherreisen. 


Mülltonnen - oben Georgien, unten Bulgarien
Mein nächstes Ziel ist Bulgarien,  zum ersten Mal seit elf Monaten betrete ich wieder einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Erinnern mich viele Ecken Bulgariens sehr an Georgien, so gibt es auch gleichzeitig viele Indizien dafür, dass man hier den Gesetzen der EU unterliegt – zumindest oberflächlich. Mülltrennung! Wie konnte ich nur vergessen, dass diese Idee in vielen Ländern existiert? Ein Jahr lang gab es für mich nur eine Mülltonne, jetzt stehe ich gleich dreien gegenüber – grün, gelb, blau? Ja, jetzt kann ich ein bisschen nachvollziehen, wie man sich als Ausländer in Deutschland fühlen muss. Ich hoffe, dass keiner hinschaut und verteile meinen Müll dann nach Bauchgefühl in die Tonnen. Ein paar Wochen später erfahre ich, dass das Prinzip der Mülltrennung in Bulgarien doch nicht allzu weit gediehen ist – spätestens die Müllabfuhr schmeißt alles wieder zusammen!


die Schönheiten Rumäniens - oben ein Schloss in Transsilvanien, unten ein Cafe in Bukarest
Weiter führt mich meine Reise nach Rumänien, wo ich feststelle, wie sehr ich mich schon an das Leben im Osten von Osteuropa gewöhnt habe. Auf der Tour haben mich viele der Reisenden, die von Westen (Deutschland, Schweden, Belgien) kommen, vor der grauen Tristesse aus kommunistischer Architektur in Bukarest gewarnt. Schön seien hingegen die kleineren Städte in Transsilvanien und Siebenbürgen, für Bukarest reiche ein Tag. Ja, schön ist es schon in den Wäldern und Kleinstädten dieser Gebiete, aber auf eine sehr deutsche Art. Fachwerk, Bäckereien, Apfelstrudel? Die frühere deutsche Besiedelung fällt im Stadtbild sofort auf. Das ist einerseits schön, aber andererseits für mich ein bisschen zu früh: nach Deutschland wollte ich doch erst in ein paar Wochen!
Da gefällt mir Bukarest schon besser. Während meines Jahres in Georgien habe ich die grauen Plattenbauten aus der kommunistischen Ära auf eine seltsame Art liebgewonnen. Außerdem, warum hat mir keiner von all den gemütlichen und kreativ gestalteten Cafés in Bukarest erzählt, den Parks, den schönen Ecken eben? Wahrscheinlich, weil man die erst mal suchen und finden muss und dafür eben nicht ein einziger Tag reicht. Ich habe das Gefühl, dass es mir – zumindest unter anderem – deswegen so gut gefällt, weil ich von „Osten“ komme und gerade nicht an die perfekte Schönheit touristischer Hauptstädte Europas gewohnt bin. Denn touristisch ist Bukarest wirklich nicht.


Spezialitäten Sloweniens, oben 'Pizza Burek', unten 'Kremsnita'


Als ich ein paar Tage später in Slowenien ankomme, kann ich schnell nachvollziehen, warum die Slowenen sich nicht als Ost- sondern als Mitteleuropäer sehen: Mit Ljubljana erwartet mich eine gemütliche, kleine Hauptstadt, in der man für das Überqueren einer roten Ampel (als Fußgänger!) 50 Euro zahlt. Euro? Ach ja, das ist diese Währung, wo die Scheine so seltsam gedrungen aussehen und aus so komisch festem Papier bestehen; diese Währung, die ich noch vor einem Jahr nicht hätte beschreiben können – und wenn ich es doch versucht hätte, hätte ich die Worte „seltsam“ und „komisch“ sicherlich nicht in den Mund genommen. Eigentlich sollte Slowenien also das erste Land sein, in dem ich die Währung nicht mehr umrechnen muss, ich aber werde noch einige Wochen lang Euro in Lari (georgische Landeswährung) umrechnen. 
Ein paar der Währungen, die mir auf der Reise begegneten - und der gute, alte Euro
Slowenien ist eine perfekte Mischung aus dem, was nun hinter mir liegt (Osteuropa) und dem, was mich erwartet (Mitteleuropa): Die Nähe zum Balkan bemerke ich an Spezialitäten wie der „Pizza Burek“, die Nähe zu Österreich an der „kremšnita“ (gesprochen Kremschnita, auf Deutsch ganz einfach Cremeschnitte).

Ende August erreiche ich schließlich Deutschland und bin tatsächlich vorbereitet: Ich verstehe jedes Wort? Ist ja wie in Österreich. Strafgelder? Gibt’s auch in Slowenien. Fachwerk und malerische Kleinstädte kenne ich aus Rumänien. Das einzige, was mir ein bisschen fehlt, ist die Entspanntheit der Menschen, wie ich sie aus Georgien und eben dem Balkan kenne: Die Menschen sind verschlossen, die Bahnen überteuert und unpünktlich. Habe ich gerade über Unpünktlichkeit gemeckert? Nach 30 Tagen in überfüllten, quälend langsamen Zügen in Osteuropa, wo man mehrere Stunden Verspätung ganz normal einkalkuliert? Ich bin wohl doch deutscher und unentspannter, als ich dachte.


Dienstag, 25. September 2012

Das nervt.

Warum dürfen Schweden und Georgier und überhaupt alle, alle, alle das gucken, nur ich nicht?

Montag, 24. September 2012

Deutschlandpause für ein Jahr

Ich bin jetzt schon seit drei Wochen wieder in Deutschland und noch immer erlebe ich Situationen, an denen ich merke, dass ich verdammt lange weg war.

Kontoauszüge holen, zum Beispiel. Ich schiebe die Karte in den Druckautomat, und warte, und warte, und warte, und... habe so langsam das Gefühl, dass hier gerade ein ganzes Buch mit Ausmaßen des fünften Harry Potter Bandes gedruckt wird. Das ging doch früher mal schneller? Naja, das ging früher auch mal regelmäßiger, das Kontoauszüge ausdrucken.

Anträge ausfüllen. Gut, ich habe noch nie zuvor einen Bafög-Antrag ausgefüllt oder einen komplizierten privat-gesetzlich-privat-Versicherungswechsel vorgenommen. Oder einen Hauptwohnsitz angemeldet. Seit ich wieder in Deutschland bin, habe ich das Gefühl, dass mein Hauptgegner schlicht und einfach die Bürokratie ist. Ganz am Anfang kamen mir dann (wie immer, wenn gerade irgendetwas nicht perfekt läuft, das Wetter schlecht ist oder mir einfach langweilig ist) Nostalgie-Gedanken á la "In Georgien musste ich nie solche Formulare ausfüllen, in Georgien konnte ich meine Miete in bar zahlen, in Georgien...." Dann hatte ich einen kleinen Erkenntnis-Flash: In Georgien gibt es weder Bafög noch gesetzliche Krankenkassen.
Trotzdem fühle ich mich immer wieder wie in einer Deutschland-Satire gefangen: "Bitte füllen Sie diesen Antrag aus, mit dem wir diesen Antrag beantragen, um dann diese Bescheinigung zu erhalten, durch die Sie befugt sind, folgende Bestätigung zu unterschreiben, die Sie dazu berechtigt, einen Antrag auszufüllen... Und bitte fügen sie hunderttausend A4-Umschläge, die Sie an sich selbst und den Verfassungsschutz adressieren hinzu, selbstverständlich frankiert."

Radiomusik. Huch, ist ja plötzlich alles voller deutschem "Ist es Hiphop oder Pop oder gibt es dafür einen neuen Namen"! Und  plötzlich weiß man gar nicht mehr, was man davon jetzt gefälligst toll finden soll und was eher für die 13jährigen ist und was doch eh schon alle als Ohrwurm haben.

Rauchfreie Bahnhöfe. Eine meiner ersten Erkenntnisse, als ich am 31.August in Berlin aus dem ICE (von Wien kommend) aussteige: Stimmt ja, in Deutschland müssen Raucher sich ja auf einem kleinen, gelb markierten Rechteck zusammenquetschen.

Regen und 14°. Man bedenke, ich hatte seit  mindestens Juni mindestens 30°. Und selbstverständlich ändert sich dieser Zustand schlagartig in dem Moment, wo ich die tschechisch-deutsche Grenze übertrete (naja, überfahre). Also bitte, mehr Klischee hätte mir Petrus echt nicht bieten können. Ich war davor in Österreich, aber sogar dort (und geographisch ist das ja jetzt kein Riesenunterschied) war schönes Wetter. Ich hatte ganz vergessen, dass es in Deutschland keinen Sommer mehr gibt.

to be continued.

Lebenszeichen und Antworten auf frequently asked questions

Ja, dieser Blog wird weiterleben. Er ist zwar in ein zwischenzeitliches Koma gefallen, aber dafür gibt es gute Gründe, die es wert sind, demnächst auch mal schriftlich festgehalten zu werden.

Jetzt erstmal kurz ein Mini-FAQ:
Wo bist du denn?
 - Ich bin gerade in dem Minidorf in Hessen, das ich immer als "in der Nähe von Frankfurt" bezeichne.
Du bist wieder in Deutschland?
 - Jap.
Und, wie isses so?
 - Jap. (alias: "Das kann ich doch nicht in zwei Sätzen sagen!")
Und, wie wars in Georgien?
 - Jap. (alias: "Beschreib du doch bitte mal deine letzten elf Monate in einem Wort!")
Und was machst du jetzt?
 - Fotos sortieren, und anderes sortieren. Gedanken, zum Beispiel.
Und dann? Was? Und Wo? Und dann?
 - Studieren. Südosteuropastudien/Humangeographie. In Jena. Jap. (alias: "Wie zur Hölle soll ich bei einer Gesellschaftswissenschaft denn schon vor dem Beginn meines Bachelor-Studiums wissen, was ich danach mache? Was machst du denn bitte in fünf Jahren?")
Hast du noch deine alte Handy-Nummer?
 - Nein, die ganz alte Sim-Karte hab ich in Georgien verloren, die mittel-alte in Rumänien und deswegen hab ich jetzt eine Übergangslösung namens 015125659448. SMS mit Unterschrift sind gern gesehen!

Mittwoch, 25. Juli 2012

"Da findet das Leben auf der Straße statt!!!"

Ein typischer begeisterter Satz eines deutschen Touristen, der gerade in Italien/Vietnam/der Türkei, ach, eigentlich überall südlich und östlich von Deutschland, war.
Doch was bedeutet er?


Ich denke, dass in diesen Ländern eben die meisten Menschen meistens "auf der Straße" sind, dort einkaufen, handeln, tratschen, essen, trinken, spielen, lachen, Neuigkeiten austauschen und all das, was man eben so tut. Leben eben.


Bisher war auch ich begeistert von dem Konzept, dass nicht jeder bei sich zu Hause versauert und das Haus nur dann verlässt, wenn er einen gewissen Grund dazu hat. Seit ich in der Türkei war, denke ich ein wenig anders darüber. In den Orten in Nordostanatolien, die ich besucht habe, findet nur die Hälfte des Lebens auf der Straße statt, nämlich das Leben der männlichen Bevölkerung. Diese sitzt von morgens bis abends beisammen an kleinen Tischchen, trinkt Tee, würfelt, spielt Karten, unterhält sich oder starrt Löcher in die Luft. Da stellen sich nun zwei Fragen: "Was machen denn die Frauen den ganzen Tag?" und "Warum machen die Männer das den ganzen Tag?". Die erste Frage lässt sich wohl recht einfach beantworten. Wie auch Georgien und selbstverständlich sehr viele Länder ist auch die Türkei natürlich noch sehr stark den traditionellen Rollenbildern verhaftet, die Frau gehört in die Küche und erzieht die Kinder. Das ist nun ein sehr weitreichendes Thema, über das es viel zu diskutieren gibt, aber darum soll es in diesem Artikel gar nicht gehen. Viel wichtiger ist mir die zweite Frage: "Warum sitzen die Männer den ganzen Tag auf der Straße?"
In Deutschland arbeiten die meisten Leute und treffen sich dann abends oder eben am Wochenende. In der Türkei (besser gesagt in den Orten, wo ich war) aber haben all diese Männer ganz offenbar keine Arbeit, und was ich noch viel schlimmer finde, keine Beschäftigung. Das Leben, das dort auf der Straße stattfindet, ist sehr stark von gar nichts geprägt. Natürlich, manche Männergruppen spielen, einige unterhalten sich, das ist ja vollkommen legitim und "spielen und quatschen" klingt ja auch gar nicht unattraktiv als Lebensinhalt auf Zeit. Aber sehr viele dieser Männer sitzen eben einfach nur da und tun gar nichts, nada. Sie sitzen, starren, bestellen Tee, sitzen, starren, bestellen Tee.


Das ist der Punkt, wo für mich der Satz "Da findet das Leben auf der Straße statt!" eine unglaublich unzutreffende Romantisierung ist. Da findet nämlich gar nichts statt.

Durchs wilde Kurdistan

Schon wieder gab es länger nichts zu lesen und wie immer ist trotzdem viel passiert.

Es ist irgendwie Wahnsinn, aber tatsächlich ist es jetzt schon Ende Juli, was bedeutet, dass ich nur noch eine Woche in Georgien habe (und es ist nicht einfach für mich, das schwarz auf weiß zu lesen!).

Einerseits will ich meine verbliebenen Tage natürlich so intensiv wie möglich nutzen, andererseits haben wir mindestens 35 Grad und das hindert mich an allzu großer Aktivität. Außerdem wollte ich schon seit Längerem etwas über meinen Türkeiurlaub schreiben und in der Wohnung ist es gerade noch am besten auszuhalten, also werde ich das jetzt mal machen.

Vor ein paar Monaten haben meine Mitbewohnerin Lara und ich uns überlegt, im Juli in den Iran zu fahren. Vor ein paar Wochen (am Tag, bevor wir uns das Visum kaufen wollten) haben wir uns überlegt, dass wir vielleicht doch nicht bei vierzig Grad vollverschleiert durch die Wüste schleichen wollen. Also haben wir kurz überlegt und uns dann doch lieber für die Türkei entschieden. Mit dem „Lonely Planet“ planen wir ein bisschen vor, heben ein paar viele Türkische Lira ab und brechen Anfang Juli mit vollgepacktem Rucksack auf. Unser genaues Ziel: Über den Südwesten Georgiens nach Nordostanatolien, dann soweit runter, wie wir es in einer Woche schaffen, und letztendlich zurück nach Tbilisi.
Leider ist das Minibusfahren in der Türkei unerwartet teuer, sodass wir es nicht besonders weit runter schaffen, ohne unser Budget vollkommen auszureizen. 

unsere Route, entlang der armenischen Grenze
In der Türkei genießen wir es, mal wieder etwas anderes zu essen als in Georgien, wir radebrechen ein bisschen vor uns hin, genießen Sesambrot und Cay (Tee), außerdem gönnen wir uns natürlich eine Ladung Baklawa. Die ganze Zeit jedoch sind wir ein wenig angespannt. Zwei alleinreisende Frauen im äußersten Osten der Türkei. Das mag gefährlich klingen, doch wir haben eine ganz andere Erfahrung gemacht. Alle Türken, die uns alleine (noch dazu ohne Kopftuch und mit „bloßen Beinen“) rumspazieren sahen, verfielen in große Sorge um uns und überschütteten uns mit Fürsorge – die wir wirklich nicht brauchten. Es ist schwierig, das zu beschreiben, da ja alles nur nett gemeint war, aber ich verdeutliche das mal mit einer kleinen Episode:
Wir fahren mit dem Minibus von Dogumayazit nach Igdir, wo wir uns kurz die Stadt anschauen und dann weiter nach Kars fahren möchten. In Igdir angekommen fragen wir nach dem Weg zu einem Reisebüro, wo wir die Busfahrkarten kaufen können. Eine jüngerer Mann bietet uns an, uns dort hin zu bringen, da auch er nach Kars möchte. Wir gehen mit ihm mit und erreichen bald das Reisebüro, wo wir erfahren, dass in wenigen Minuten ein Bus fährt und der nächste erst in zwei Stunden (14 Uhr). Wir entscheiden uns für den letzteren und kaufen die Tickets. Zufällig beobachten wir, wie sich der Mann, der uns hergebracht hat, unverzüglich sein Ticket von 12 auf 14 Uhr umschreiben lässt, offenbar, weil er nicht möchte, dass wir allein in Igdir warten müssen. Weil er uns aber schon auf dem Weg zum Reisebüro nicht zu sagen hatte (obwohl sein Englisch für diese Region ungewohnt gut ist), haben wir an seiner Gesellschaft kein Interesse und flüchten so wortwörtlich in die kleineren Gassen der Stadt, wo wir ganz in Ruhe Tee trinken und Karten spielen können. Nach zwei Stunden kehren wir zurück, der Mann steht zu Tode gelangweilt rauchend in einer Ecke und macht ganz den Eindruck, als hätte er auch die letzten zwei Stunden nichts anderes getan. Er sah es wohl als seine Pflicht an, war dann aber nicht in der Lage, uns das mitzuteilen und hat nun zwei Stunden aus übertriebener Freundlichkeit und auch übertriebener Angst vor seinen eigenen Landsmännern verschwendet.
Im selben Ort treffen wir einen jungen deutschen Türken (eigentlich Berliner), der uns eindringlich vor allen Türken warnt.
Wie gesagt, wir haben von allen Seiten nur Freundlichkeit erfahren, aber genau diese Freundlichkeit wirkt einengend und erdrückend, man versucht, mit niemandem ins Gespräch zu kommen, um niemanden dazu zu „zwingen“, dass er sich unser annehmen muss.

Es war ein schöner Urlaub, die Landschaften dort sind unglaublich schön, weit, wild, einsam. Wir haben interessante andere Reisende getroffen, haben uns mit Einheimischen unterhalten und einfach einen Teil der Türkei bereist, der noch sehr unerschlossen ist.
Trotzdem waren wir unglaublich froh, wieder zurück in Tbilisi zu sein, wo die Frauen genauso ins Straßenbild gehören wie die Männer, wo Frauen jeden Alters ohne Kopftuch und in luftigen und oft auch kurzen Sommerkleidern herumlaufen, wo man Fremden gegenüber freundlich und interessiert aber nicht zu bemutternd ist.

Dienstag, 10. Juli 2012

Ja, ich bin Tourist

unser Auto, auf dem Weg nach ganz oben
Es folgt eine Geschichte, die dafür spricht, dass ich jetzt Tourist bin.
Man mag es vielleicht nicht glauben können, aber bisher dauerten meine Reisen innerhalb von Georgien nie länger als 2-3 Tage.
Ja, ich weiß, manch einem kommt es so vor, als würde ich die ganze Zeit unterwegs sein. Ein wenig kommt es mir selbst auch so vor, aber tatsächlich bin ich vor ein paar Tagen zum ersten Mal eine ganze Woche durch Georgien gereist. Und das kam vollkommen spontan, schließlich bin ich hier immer noch in dem Land, wo man die Reisen am Tag der Abreise plant. Okay, dieses Mal immerhin einen Tag vorher.
Es ist Sonntag, es ist gutes Wetter, ich habe Besuch von Caro, die ganze WG ist ein wenig verkatert, alle liegen irgendwo rum und bin mir noch nicht ganz sicher, welchen Winkel meiner neuen Heimat ich ihr als erstes zeigen soll: Die Berge? Das Weingebiet Kachetien im Osten, das zu meinen Lieblingsgegenden in Georgien gehört? Die Wüste an der Grenze zu Aserbaidschan? Die Küste?
Mein Handy klingelt, Micha ist dran. Mit Micha (und seinem ausgebauten Pickup) war ich vor ein paar Wochen nahe der russischen Grenze, jetzt ist er wieder in Georgien und auf dem Weg nach Deutschland.
"Nora, warst du schonmal in Swanetien? Ich fahr da morgen hin und bräuchte ein paar Tipps."
- "Nee, ist eine der wenigen Regionen, wo ich nie war und worüber ich nichts weiß."
"Hmm, ach du warst da noch nicht? Willst du mitkommen?"
- "Hast du zwei Plätze frei?"
"Ja klar. Morgen gegen 1 in Kutaisi?"
- "Genial, wir sehen uns morgen!"
So erzähle ich Caro, dass wir jetzt einen Plan haben und wir packen unsere Rucksäcke so, dass wir ungefähr eine Woche überleben können, inklusive Schlafsack, Taschenmesser und Zelt, denn man weiß ja nie.

Es ist Montag, Caro und ich haben die vier Stunden Marschrutka nach Kutaisi hinter uns, ich sitze in Michas Auto und zähle Kühe. Und bestaune die Einfamilienhäuser, die alleeartig die Straße säumen. Und überhaupt, was ist das denn für eine gute Straße? Kein Schlagloch weit und breit, dafür eben Kühe. Kühe, die mitten auf der Straße stehen - was auch immer sie da wollen, direkt nebendran sind Wiesen voll saftig grünem Gras - und auch nicht weggehen, wenn man hupt und direkt auf sie zufährt. Naja, der Klügere gibt nach und so, weichen wir also aus und fahren Slalom.
Unser Ziel, die Region Swanetien, liegt ganz im Nordwesten Georgiens, ein gutes Stück fahren wir direkt an der Grenze zu Abchasien, der autonomen Region, in die ich als Deutsche nicht einreisen darf und die doch der schönste Teil Georgiens sein soll. Ich lasse mir aber nicht weiter mit Gedanken an Abchasien die Laune verderben, ist doch Swanetien auch wunderschön.

wenn ein Bach die Straße überquert...

Ausblicke von der höchsten ganzjährig bewohnten Siedlung Europas

Ja, hier wohnen tatsächlich noch Menschen
Am Dienstag haben wir ein ganz besonderes Erlebnis. Ich habe hier sowieso gelernt, dass das Reisen mit einem eigenen Auto richtig Spaß macht: Diese Abzweigung sieht interessant aus? Na, dann gucken wir doch mal. Ich muss mal, ich habe Hunger? Alles kein Problem. Und vor allem kommt man einfach überall hin. Naja, fast überall jedenfalls. Nach Ushguli (s.Foto) kommt man mit unserem Autochen nicht, da muss es schon ein Jeep sein, den wir uns samt Fahrer mal ganz dekadent für einen Tag mieten. Und es lohnt sich! Mehr Stein als Weg, mehr See als Schlagloch, bis in so entlegene Gegenden, dass man sich weit außerhalb Europas wähnt. Und dann, in Ushguli, vollkommen verfallene Steinbauten, die noch immer bewohnt sind, Landwirtschaft, die komplett auf der Straße stattfindet: Schafe, Kühe, riesige Bullen, winzige Schweinchen, Pferde... Ich als Dorfkind bin das ja eigentlich in etwas zivilisierterem Ausmaß durchaus gewöhnt, aber für Berliner ist dann jedes Tier ein Foto wert,...
Also, jedenfalls, Ushguli! Komischer Name, tolles Ausflugsziel!

Mittwoch. Wir lassen die Berge wieder hinter uns und wenden uns dem Meer zu: Den Tag über sitzen wir fast die ganze Zeit nur im Auto, am frühen Abend erreichen wir Kobuleti. Dieses Örtchen am Schwarzen Meer ist in Georgien bekannt als die Discomeile schlechthin. Scheinbar ist die Saison trotz Sommerferien noch nicht angebrochen, die Straße (es gibt nur eine) ist leer, am Strand ist man eifrig damit beschäftigt, Pavillons und Häuser zu bauen, ein paar verlassene "Discos" sind zu erahnen. Wir suchen uns ein nettes Restaurant, werden gnadenlos vom Essen enttäuscht (unüblich in Georgien) und suchen uns einen schönen Schlafplatz direkt am Strand. Was dann folgt, kann ich nur aus Erzählungen wiedergeben, ich selbst habe es verschlafen: Micha hört Geräusche und schaut heimlich hinten aus dem Auto raus. Ein riesiger LKW rollt an und Bauarbeiter beginnen, Sand in rauen Mengen in das Gefährt zu schaufeln. Wenig später: Menschen brennen Lagerfeuer an und trinken ein Bierchen. Wir verhalten uns unauffällig (naja, ich schlafe ja eh) und bleiben unentdeckt in unserem Auto. Komisches Georgien, warum zur Hölle klaut man Sand?

Donnerstag. Da in Kobuleti tote Hose ist und wir uns mit Katharina und Clara in Batumi verabredet haben, fahren wir früh morgens noch ein paar Kilometer Richtung Süden und erreichen dann die Metropole der georgischen Schwarzmeerküste. Hier lassen wir es uns am Strang gutgehen, mieten uns für unschlagbare 1,50€ einen Sonnenschirm und holen uns (wie immer in Batumi) trotzdem einen Sonnenbrand. Außerdem essen wir lecker (wie immer in Batumi) und fahren schließlich noch in den Botanischen Garten. Der wurde mir sehr empfohlen, weswegen ich die anderen davon überzeuge, dass man ihn gesehen haben MUSS. Was man vor allem muss, ist dafür zahlen. In Tbilisi kostet der Botanische Garten 50ct und es gibt geheime Eingänge, in Batumi zahlt man 1,50€ - wenn man Georgier ist. Wir zahlen 3€ und erleben zum ersten Mal in Georgien eine Benachteiligung aufgrund von Touristen-Dasein. Frechheit! Dafür ist der Park wirklich riesig und sehr schön und das Schwarze Meer sind von hier unerklärlicherweise nicht mehr grau sondern türkis aus. Macht sich doch auch viel besser auf den Fotos!

Freitag. Clara, Katharina und Micha, die alle drei eine Weile in Aserbaidschan gearbeitet haben, brechen auf in Richtung Deutschland, der nächste Stopp soll Trabzon sein. Caro und ich brechen auf in Richtung Tbilisi, nach Chulo soll es gehen. Über Chulo hab ich bisher meist von meiner Mitbewohnerin Lara gehört, die irgendwann im letzten Winter mehr oder minder zufällig dort gelandet ist und vollkommen begeistert war. Die Fahrt mit der Marschrutka kostet nur wenige Lari und so fahren wir einfach mal los. Ich habe in Georgien schon viele beeindruckende Berge gesehen, aber den kleinen Kaukasus hatte ich bisher vernachlässigt. Wie üblich bin ich schon nach kurzer Zeit restlos begeistert und wünsche mir, dass die ruckelige Fahrt kein Ende haben möge. Wir durchfahren ein langgestrecktes Tal und schlängeln uns an der Seite eines Gebirgsbaches durch dunkelgrüne Berge und Hügel, sehr idyllisch, wunderschön. In Chulo treffen wir zuallererst mal wieder Touristen, die ein ungewöhnliches Ziel haben: Mit einem Krankenwagen fahren sie von England bis in die Mongolei, um ihn dann dort zu spenden. Wir sagen ihnen, wie sie nach Tbilisi kommen und lassen uns dann wiederum zeigen, wie wir zu einem Hotel kommen. Das Gästehaus ist ganz neu gebaut, die Besitzer sind mal wieder superfreundlich und das Essen gut. Chulo selbst ist ein kleines Städtchen, dass direkt auf einem Berg liegt und durch eine Seilbahn mit dem Nachbardorf auf dem Nachbarberg verbunden ist. Wir laufen ein bisschen rum und fotografieren die Rosen, die überall wachsen, lassen uns eine Führung durch die örtliche Moschee geben (sehr ungewöhnlich, da Georgien eigentlich komplett orthodox ist) und wagen schließlich auch die Fahrt mit der Seilbahn.
Die Seilbahn ist im Prinzip eine gewöhnliche Seilbahn, hat aber ein paar Eigenheiten: Sie führt über einen 1700m tiefen Abgrund. Sie hat nur eine Kabine. Ihr Preis ist verhandelbar, zumindest für Touristen. Eigentlich kostet eine Fahrt 10ct, das wissen wir auch, nur weiß der Fahrer nicht, dass wir es wissen und behauptet erstmal, das würde 2,50 pro Fahrt kosten. Ja Pustekuchen. Wir diskutieren so lange, bis einer der Mitfahrer uns die Fahrt (für 10ct) spendiert. Ja cool, von 10 Euro auf 0 Euro runtergehandelt, wenn das kein Talent ist! Ungewöhnlich ist auch, dass wir mitten während der Fahrt anhalten und wieder zurück fahren. Der Fahrer habe etwas vergessen. Der Fahrer, der schon nach wenigen zurückgelegten Metern die Tür geöffnet hat, um besser rauchen zu können. Was kann der nur so wichtiges vergessen haben? Wir halten kurz darauf wieder in Chulo, der Fahrer geht kurz raus, kommt wieder und stellt ein paar Bierflaschen in den Wagon. Achso. Oha. Und weiter geht die Fahrt.

Samstag. Wir schlafen aus, frühstücken bei bestem Wetter (wie die ganze Woche schon, übrigens) und machen dann mal wieder ein super Schnäppchen: Für die Marschrutka nach Chulo haben wir 5 Lari bezahlt, für den Bus zurück zahlen wir nur 3! Genial! Wieder in Batumi legen wir uns noch ein bisschen ans Meer, Caro bricht den Chinkali-Rekord (11! In Worten: ELF! ich schaffe bei sehr großem Hunger fünf...), wir essen Eis und kaufen uns die Tickets für den Nachtzug. Denn heute endet unsere Reise durch den schönen Westen Georgiens.
Nachdem Caro im Zug einen ungezogen Sprößlich reicher Russen zusammengeschissen hat (man hört im Nachtzug nicht laut auf seinem Ipad Musik, dafür gibt es Ohrstüpsel, also wirklich...), schlafen wir selig, bis uns in Tbilisi ein Georgier zusammenscheißt, dass wir gefälligst aufstehen sollen, wir sind schließlich schon da!
Naja, so gewöhnt man sich daran, in fahrenden Dingen (Autos, Zügen, Bussen und Marschrutkas) zu schlafen.

Sonntag, sehr früh. Zurück in Tbilisi, zurück in unserer vollgestopften, chaotischen WG.
Wegfahren und Heimkommen ist doch immer wieder schön.

Montag, 25. Juni 2012

Bin ich jetzt Tourist?

Mein (WG-)Leben in Tbilissi ist schon seit Monaten von sehr vielen Ein- und Auszügen geprägt. Verschiedenste Leute haben mal für ein paar Wochen hier gewohnt (und sei es auf der Couch), stndig kommen Leute zum Abendessen oder Weintrinken vorbei, es ist immer viel los und immer irgendjemand da. Ich bin das ja auch von meinem Leben davor gar nicht anders gewohnt, auch da waren meistens mehr als die neun "eigentlichen" Bewohner des Hauses da. Und ich fand und finde das auch ziemlich super.
Momentan wird es immer, immer mehr: Es ist Sommer, auch in Deutschland beginnt die Ferienzeit. Und wie schon zu Osterferienzeiten strömen auch jetzt Touristen in Scharen in die Stadt. Wie ich das wiederum finde? Naja, da bin ich ein bisschen zwiegespalten: Es ist ja gut für Georgien, wenn viele Touristen herkommen. Ich freue mich ja über jeden, der überhaupt auf die Idee kommt, hierher zu reisen. Und ich kann das ja gut verstehen. Aber. Aberaberaber. Aber gleichzeitig nervt es mich, wenn man in der Altstadt mehr Deutsch, Englisch und Russisch hört als Georgisch. Wenn überall Leute mit blonden Haaren und Spiegelreflexkamera rumlaufen. 
Man kann das wirklich schlecht erklären, aber vielleicht liegt es daran, dass ich mich selbst nicht als Tourist betrachte. Und auch nie betrachtet habe. Nicht, dass ich vorhätte, nach Georgien auszuwandern oder dass ich mich als Georgierin sehen würde oder dergleichen. Aber eben auch nicht Tourist. Und wenn es so viele Touristen gibt, neigt man eben dazu, alle hellhaarigen Menschen als Touri abzustempeln und dann muss ich ja auch davon ausgehen, dass mich die anderen als Touri abstempeln und ich bin doch kein Tourist!
Oder etwa doch? Bisher habe ich auf die Frage, was ich denn hier mache, immer geantwortet, dass ich hier arbeite, an einer Schule, als Praktikantin, Hilfslehrerin, wie auch immer. Jetzt wäre die ehrliche Antwort: "Ich wohne hier, ich habe hier gearbeitet." Das Schuljahr ist vorbei und damit der riesige Hauptteil meiner Arbeit als Freiwillige. Und jetzt, wo ich Ferien habe, was mache ich da? Durch die Altstadt schlendern, auf den Basar gehen, am See liegen, Ausflüge machen, Eis essen, Postkarten schreiben, Koffer packen... Trifft das nicht alles auch auf 'die Touris' zu? Bin ich dann einer? Und wenn ja, ist das schlimm?
Meine verbleibende Zeit in Georgien ist ziemlich gering: In gut einem Monat werde ich abreisen, ein paar Tage dieses Monats werde ich in der Türkei verbringen (als Tourist, natürlich), den Rest möchte ich nutzen, um weiter eine schöne Zeit im sommerlichen Tbilisi zu verbringen und mir noch ein paar Ecken des Landes anzuschauen. Klingt schon sehr touristisch. In einer Woche werde ich aus meiner Wohnung ausziehen und dann habe ich hier in Georgien nur noch die Sachen, die in meinen großen Rucksack passen, die Sachen also, die ich auf meinem Rücken nach Deutschland tragen werde. Das wird nicht allzu viel sein, jedes Kilo muss getragen werden und deswegen wohl überlegt sein. 
Ja, irgendwie befinde ich mich momentan mal wieder in so einer Zwischenphase. Letzten Sommer war ich nicht mehr Schüler und noch nicht Freiwilliger, deswegen Reisender. Ende letzten Sommers habe ich mein Zimmer bei meiner Familie komplett geräumt und mich auf 56kg beschränkt, die ich für das nächste Jahr brauchen würde. Diesen Sommer bin ich nicht mehr Freiwilliger und noch nicht Student, deswegen Reisender. 

Was ich gerade übrigens tue, wenn ich nicht gerade darüber philosophiere, was ich bin und was ich werde (Stichpunkt Studiengangswahl), ist, meiner Freundin Caro, die gerade für zwei Wochen hier ist, Georgien und Tbilisi in seiner ganzen Schönheit zu zeigen. Dafür haben wir uns eine Woche lang auf Reisen gemacht, mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln. Und weil wir da wirklich viel erlebt habt, gibts darüber demnächst noch mal einen Reisebericht, obwohl ich mir immer wieder denke, dass zu viele Reiseberichte auf die Dauer auch nicht gut sind. 

Warum hier gerade so eine Flaute herrscht

Sommerpause?
Könnte man meinen, Sommer trifft die Situation hier in Georgien auch sehr gut, aber das ist nicht der eigentliche Grund.

Hm, eigentlich gibt es ein paar 'eigentliche Gründe':
1. Ich habe hier keinen eigenen PC mehr. Meiner wurde vor ein paar Wochen nach Deutschland mitgenommen, weil ich ihn auf meinen geplanten Sommerreisen nicht gebrauchen kann (zu groß, zu schwer, zu viel Facebook).
2. Es gibt so viel anderes zu tun. Am See liegen, Rucksack packen und dabei verzweifeln, verreisen, in Cafés rumsitzen, Fußball gucken.
3. Es gibt so viel zu erzählen, dass es schon wieder viel zu viel ist.

Jedenfalls, es haben mich ein paar Leute gefragt, warum ich nicht mehr blogge und ich werde jetzt mein Bestes geben, um mal wieder ein bisschen mehr zu machen. Versprochen. Ehem.

Sonntag, 3. Juni 2012

Mai Part III - -ein minikleiner Türkeiurlaub, Couchsurfer ...und was trägt man denn in Georgien so?

"Öhm... Sarah in der Türkei? Und Nora in Georgien?? Wie kommt es, dass ihr in einem Bild seid, oder hab ich da was falsch verstanden?"
"Georgien und Türkei=Nachbarländer
Busse in Georgien/Türkei=billig
Urlaubstage im FSJ=dehnbarer Begriff
Haben uns in der Mitte getroffen!"
"Haha, sehr geil :D Na dann hoffe ich, ihr habt echt viel Spaß gehabt/ habt noch viel Spaß :D Und liebe Grüße!"
Gurkistan (Georgien) <3, gesehen in Trabzon

Ein minikleiner Türkeiurlaub (10.-14.Mai)
Der grobe Plan "Wenn wir in Nachbarländern sind, können wir uns ja mal treffen.." stand schon lange und jetzt sollte er spontan tatsächlich ausgeführt werden. Die Eckdaten: Donnerstagsnachts mit dem Bus nach Trabzon (wahlweise aus Tbilisi oder Ankara), Freitagmorgens Couchsurfer treffen, drei schöne Tage haben, Sonntagnachts mit dem Bus nach Tbilisi oder Ankara zurück. 
Der Wetterbericht stimmt eher sorgenvoll (20 Grad und wolkig), viele Georgier sagen mir, dass Trabzon eh nur hässlich sei und trotzdem: Ich und meine beiden Mitbewohnerinnen, die mitfahren, sind bester Stimmung als wir in den Bus einsteigen. Die 12 Stunden Fahrt hätten angenehmer sein können, aber gehen auch vorbei uns etwas übermüdet kommen wir morgens um 7 in Trabzon an, wo wir jetzt noch 2 Stunden auf Sarahs Bus warten müssen. Warten, in der Türkei. Selbstverständlich gehen wir Cay, also Tee, trinken. Und zielsicher suchen wir uns ein Lokal, dass eigentlich nur für Männer gedacht ist. Naja, wir sind ja jetzt wieder in einem Land, wo wir KEIN WORT verstehen und deswegen alles dürfen. So trinken wir und spielen Karten und trinken und spielen und "Hey Nora, ist das dahinten deine Freundin?" und wupsch, Wiedervereinigung. Die erste von meinen deutschen Freundinnen, die ich seit September sehe. Juhu:)
Dann kommen auch bald Mazlum, unser Host, und ein Freund von ihm. Zuerst müssen sie jetzt aber zur Uni, eigentlich haben sie gerade Examen, Gäste nehmen sie aber trotzdem gerne auf. Also laufen wir zur TU Trabzon, die einen beeindruckenden Campus hat, direkt am Schwarzen Meer liegt und wo man natürlich Cay trinken kann. Und wo wir uns zielsicher an den einzigen Tisch setzen, der für die Lehrer reserviert ist. Again, können wir ja nicht wissen, ist also auch nicht schlimm. Wir sind nicht nur offensichtlich Ausländer bzw. Touristen, sondern auch mi unserem Geschlecht in der Minderzahl und fallen  deswegen auf und locken komische Künstlertypen an, die versuchen, Englisch zu sprechen.
Nach dem Examen  kommen dann Mazlum&Co wieder und wir fahren erstmal zu ihrer WG. Fünf Kurden wohnen dort und diese fünf Kurden werden uns von jetzt an drei Tage lang von vorne bis hinten verwöhnen. Couchsurfen? Nein, sie schlafen auf der Couch, damit wir in ihren Betten schlafen können. In der Küche helfen? Nein, die Kartoffeln schneiden sie lieber selber und jeden Abend tischen sie uns ein leckeres Mahl auf. Beziehungsweise aufteppichen? Traditionell kurdisch isst man nämlich auf dem Boden. So werden vor jedem Essen schnell ein paar Zeitungen auf dem Boden  ausgebreitet und wir lassen uns nieder und essen und trinken (Cay). Sehr entspannte Variante, gerade mit bestem Panorama-Blick aufs Meer. So lässts sich auskommen. 
Abendessen, erster Gang



In den nächsten Tagen schlendern wir durch die Basare, essen lecker Baklawa, besichtigen ein paar Orte in Trabzon und fahren zur DER Sehenswürdigkeit in der Umgebung: Sümela, ein Kloster, das direkt am Felsen klebt. Auch in der Türkei gibt es "Marschrutka", die heißen hier zwar Dolmusch, aber das Prinzip ist das gleiche: Minibusse, die dich günstig fast überall hinbringen. So fahren wir durch ziemlich schöne Berge (Sarah war begeisterter als wir Georgier, weil wir ja ständig schöne Berge sehen), neben einem Gebirgsbach entlang, rechts, links, rechts, links, bis wir kurz an einem Wasserfall halten - Fotos machen. Dann gehts weiter bis zum Kloster. Da zeig ich einfach mal Bilder, damit ihr wisst, was ich meine: 
das Kloster am Felsen
Innerhalb des Klosters

Und urplötzlich ist es Sonntagabend und wir müssen wieder zum Bus, kaufen noch schnell Feta und Pesto und alles, was es dort aber nicht hier gibt, rennen zum Bus, sagen Sarah tschüss, suchen den Bus nach Tbilisi, finden ihn, sagen Mazlum tschüss, steigen ein, schlafen, sind wach, schlafen, sind wach, sind da. 
Arbeiten. Autsch. Schlafen, alles wieder gut.

Couchsurfer
In Trabzon kamen wir durch "Couchsurfing" bei den fünf supernetten Kurden unter, letzten Sommer reiste ich damit 3 Wochen durch Europa. Seit ich in Georgien bin, entdecke ich auch die andere Seite: Das "hosten". Ich bekomme fast täglich Anfragen von Leuten, die gerne ein-zwei Nächte bei uns schlafen würden. Annehmen können wir längst nicht alle: Am Wochenende sind wir meist selbst unterwegs, unter der Woche schlafen oft Freunde hier, aber wann immer es geht, sagen wir zu. So hatten wir in der letzten Zeit wirklich oft Besuch (gerade schläft eine Deutschlehrerin aus Baku nebenan) und ich find es wirklich interessant, mal diese Seite zu erleben. Als Surfer macht man sich gar nicht so klar, dass es für den Gastgeber immer ein bisschen stressig ist. Aber in erster Linie macht es Spaß und so tut es mir wirklich Leid, dass ich ab jetzt alle Anfragen ablehnen muss, da ich in dieser Wohnung nur noch wenige Wochen wohnen werde und in dieser Zeit immer Besuch da ist...

...und was trägt man denn in Georgien so?
Bevor ich herkam, hatte ich davor ein bisschen Angst. Georgien liegt zwischen Russland (Miniröcke und Highheels) und der Türkei (Kopftuch und lange Röcke). Was zur Hölle trägt man (die Jugend) dann wohl in Georgien? Die Antwort: Fast wie in Deutschland. Im Winter etwas schwärzer, insgesamt etwas ordentlicher, stilbewusster, eleganter, mehr Highheels. Aber: Auch Georgierinnen tragen im Sommer kurze Hosen, Kleider und Röcke. Sehr beruhigend, bei den 30°, die wir gerade haben. 
H&M gibt es hier übrigens "offiziell" nicht, tatsächlich kriegt man aber in vielen Läden H&M, genauso wie Zara und alle möglichen europäischen/amerikanischen Labels. Die Sachen sind sehr billig, haben allerdings oft kleine Verarbeitungsfehler, Löcher etc. Ausschussware eben, die dann in den Osten weiterverkauft wird.

Mai Part II - der Tag des Sieges

Der Tag des Sieges (9.Mai) 
Diesen Tag kündigte mir meine Mentorin Anfang des Halbjahrs als freien Tag an. Tag des Sieges. Hm. Hä?
"Du, Eka, Tag des Sieges, wer denn über wen?""Naja, Nora, wir über euch!""Na dann, herzlichen Glückwunsch!"

Dieses Gespräch führte ich mit einer Kollegin. Wir fanden das beide eher lustig, was mir später aufgefallen ist:
-Warum feiern wir in Deutschland diesen Tag eigentlich nicht?
Manche Georgier wollten nicht so Recht mit der Sprache hinaus, aber viele waren neugierig, ob wir nicht traurig sind, wegen des Tags der Niederlage (aus deutscher Sicht). Das ist dann wieder mal eine Situation, wo ich für ein "wir" antworten muss, das viel zu riesig ist: die Deutschen. Oder zumindest doch: die deutschen Jugendlichen. "Glauben die deutschen Jugendlichen an Gott? Was hören die deutschen Jugendlichen für Musik? ..." Dann ist Diplomatie angesagt und Diplomatie ist nun wirklich nicht meine Stärke. "Viele deutsche Jugendliche interessieren sich nicht für Gott. Die deutschen Jugendlichen hören ganz unterschiedliche Musik, so wir die georgischen Jugendlichen auch. Nein, wir sind nicht traurig. Dieser Tag bedeutet den deutschen Jugendlichen nichts und über den Sieg der anderen sind wir eher dankbar." 
-"Wir über euch!"
Wir, das sind die Georgier und ihr, das sind die Deutschen. Wann genau war nochmal der deutsch-georgische Krieg? Das sind die Momente in denen man bemerkt, dass meine Kolleginnen (um die 30) in einer Zeit der Besatzung durch die Sowjetunion aufgewachsen sind.

Doch ist nicht nur die Sowjetunion sehr gut in Propaganda. Eben diese Lehrerin zeigte mir am Monat davor (am 9.April, dem Tag der Nationalen Einheit) Bilder aus dem Geschichtsbuch der 5.Klässler. 
Meine Geschichtsbücher habe ich als anschaulich gestaltet in Erinnerung: Viele Quellen, ein paar Bilder, wenige Fakten, eine vielseitige und dadurch annähernd objektive Darstellung der Vergangenheit, dabei nicht zu schwer - weder in Gewicht noch in Layout. Ein georgisches Geschichtsbuch erinnert mich an einen dicken Abenteuerroman (5cm dick, DinA5) mit grausamen Bildern. Ein Tatsachenbericht aus georgischer Sicht und da Georgien wirklich viel unter Besatzungen leiden musste, gibts da auch wirklich viel Schreckliches zu berichten.
Aber ob die "Nationale Einheit" wirklich dadurch gestärkt wird, dass man 11jährigen Kindern abartige Bilder von Leichen zeigt?
Ich weiß nicht genau, wann ich zum ersten Mal die bekannten Fotos aus den KZs gesehen habe...

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Dieser Tag war jedenfalls frei und mitten in der Woche. Es gibt da ein bisschen Programm: Die Veteranen werden in einen großen Park in der Stadt gebracht (einmal im Jahr kümmert der Staat sich um die, die sonst bettelnd am Rand sitzen), dort gibt es einen sehr großen Springbrunnen, der nur einmal im Jahr zu diesem Anlass spritzt und springt. Alles in allem verwundern mich die georgischen Feiertage und deren Zelebrierung einfach immer ein bisschen...

Dienstag, 29. Mai 2012

Mai Part I - ... und warum fährst du eigentlich so oft Taxi?

Die Sendung mit der Nora, heute unter anderem mit .. 
"-ein Westpaket von enormen Ausmaß
-ein Ausflug mit dem Auto nach Kachetien
-das Schulfinale des Vorlesewettbewerbs"

Ein Westpaket von enormen Ausmaß (3.Mai)
Am dritten Mai kam eine meiner Mitbewohnerinnen von einem kurzen Deutschland-Trip wieder, mit im Gepäck: Die Kosmetik- und Essensbestellungen der gesamten WG. Manche Dinge gibt es hier eben nicht: Tartex, günstige Apres-Sun-Lotion, Schwarzbrot,... Und so speziellere Dinge wie Haarsprühkuren. Oder die NEON. Eine aktuelle Süddeutsche. Milka. Kurz gesagt, gefühlt die Hälfte von Laras Koffern bestand aus Paketen von meiner Familie, die mir das komfortable Überleben für die nächsten Monate mehr als garantieren. 

Ein Ausflug mit dem Auto nach Kachetien (5.-6.Mai)
Schon seit ein paar Wochen mal angedacht und dann spontan realisiert: "Lass doch mal mit dem Auto einfach so drauf losfahren." 
Das war der Plan und wir haben ihn mehr als erfüllt. Nach einem lustigen Abend in diversen Bars und Clubs der Stadt sind wir alle fünf diszipliniert genug, am Samstagmittag gegen 12 loszufahren. Bevor es raus aus der Stadt geht, kaufen wir das Nötigste ein: Kekse, Schokolade, Wasser, Cola, den Rest gibt es überall in Georgien am Straßenrand. Anfangs fragt Gio, der am Steuer sitzt, immer mal wieder, wo wir denn jetzt wirklich hinwollen. Als die Antwort "Egal!" sich auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht ändert, akzeptiert er sie und wir fahren der Nase nach. Unsere Nasen zeigen nach Osten, Kachetien, die Weinregion Georgiens. Es ist Mai, einer der besten Reisemonate für Georgien, alles ist wahnsinnig grün, im Norden sehen wir die schneebedeckten Gipfel des großen Kaukasus, am Straßenrand Frauen, die Erdbeeren und allerlei andere Leckereien verkaufen, auf den Feldern wird geackert. Es läuft gute Musik. Und da ist er wieder, einer dieser Momente, wo ich denke, dass gerade nichts fehlt. Diese Art Moment, die ich in Georgien wunderbarerweise ziemlich oft erlebe.
Irgendwann ist uns nicht mehr ganz egal, wo wir hinfahren und wir spezifizieren: "Irgendwohin, wo es schöööön ist!" Wir fragen Georgier am Straßenrand ("Wo ists denn hier schööön?") und werden schließlich zu zwei Seen geleitet. Diese sind zwar künstlich angelegt, aber das kann man bei der Rundum-Kulisse mal gut vergessen. Kirschkern-Weitspucken, Flache-Steine-auf-dem-See-detschen, Schaukeln, ...
Beim zweiten See gibt es ein neu angelegtes Tourismusgebiet, das komisch ausgestorben wird: Noch ist es keine Saison, wann genau diese beginnen wird (2012? 2014?) ist nicht klar, schön ist es trotzdem. Aus dem Wald (wo offenbar ein Restaurant ist) hört man georgische Gesänge, man chillt in einer Riesennetzschaukel. Achja, achja. 
Wo schlafen wir eigentlich? Gucken wir mal, fragen wir mal, finden wir ein nettes kleines privates  Gästehaus (die übliche Unterkunft hier). Die Dame des Hauses tischt uns ein umfangreiches Menü auf, sogar vegetarisch, was in Georgien nicht selbstverständlich ist. Einziger Minuspunkt? Der ausgestopfte ich-glaube-es-war-ein-Luchs am Nebentisch, der nach ein paar Gläsern Bier so unangenehm untot wirkt. 
Am nächsten Tag fahren wir weiter, besuchen noch kurz ein paar weltwärts-Freiwillige (manche von uns landen im Dreck), beklettern ein Kloster und überfressen uns schließlich mal wieder am superleckeren georgischen Essen. 
Satt und müde komme ich zu spät zu einem skype-Termin nach Hause und denke mir, dass das Real Life doch irgendwie leckerer ist als das andere. 

Das Schulfinale des Vorlesewettbewerbs
Nää, ich reise gar nicht immer! Ich arbeite auch! Sehr viel sogar! Manchmal!
Nee, im Ernst, unter der Woche arbeite ich natürlich. Im Mai gab es da so das ein oder andere spezielle Projekt, und anderem eben den Vorlesewettbewerb für die 5. und 6.Klassen. An diesem Wettbewerb können Schüler aus ganz Georgien teilnehmen und meine Aufgabe ist es, die beiden besten Schüler unserer Schule ausfindig zu machen. Bewaffnet mit diversen Zungenbrechern und kleinen Geschichten mit großer Schrift über Elfen und Fußballer (hallo, Gender-Klischee!) mache ich mich zwei Wochen lang auf den Weg in alle fünften und sechsten Klassen der Schule - acht an der Zahl. 
Ich bin ja immer wieder begeistert über die süßen, putzigen Kinderchen, aber gerade die 5. und 6.Klässler sind super: Klein genug, um süß und begeistert zu sein, groß genug, dass ich mich mit ihnen verständigen kann. So tauschen wir Zungenbrecher aus (und offenbar ist es wahnsinnig witzig, wenn ich mich an den georgischen versuche) und lesen, bis ich aus jeder Klasse die zwei besten herausgesucht habe.
Diese Kinder bereiten sich dann zu Hause auf das Schulfinale vor, das ich zusammen mit ein paar Mädels aus der 10. organisiere: Jeder liest einen kurzen Text vor, den er vorher vorbereitet hat. Danach lesen die besten noch ein Stück aus "Die kleine Hexe" vor und relativ schnell stehen die Sieger für die beiden Jahrgänge fest. 
Beim Nationalfinale hat es leider nur für den 3. Platz gereicht, aber immerhin.

"...und warum fährst du eigentlich so oft Taxi?"
...fragte mich neulich ein Freund. Die Antwort hat zwei Aspekte, wovon der eine mit "billig", der andere mit "faul" zusammengefasst werden kann. Für meinen Schulweg (mit Fuß und Bus etwa 35min) brauche ich mit dem Taxi 10-20 Minuten (je nach Verkehrslage) und zahle umgerechnet etwa 1,50Euro. Das ist billig. Außerdem bin ich ja eher der verschlafene Typ, tendentiell faul und naja, es ist einfach bequem: Um ein Taxi zu nehmen, gehe ich aus der Haustür und winke dem nächsten Auto, das vorbeifährt, zu. Etwa 2/3 der Autos hier sind nämlich - inoffizielle - Taxen. 

Vaaaime, Holla die Waldfee, Auaaa!

Die normale Begrüßungsformel in Georgien lautet "Gamardshoba". Im Deutschlehrerzimmer lautet sie "Guten Morgen!". 
Heute hieß sie "vaime", was sich als eine Mischung aus "Alter Schwede", "Holla die Waldfee" und "Ach du scheiße" übersetzen lässt. 


Darauf folgte - auf georgisch oder deutsch - die Frage: "Wo warst du denn? Was hast du getan?"


Ähm, ähäm. Verlegenes Grinsen meinerseits. "War in Kutaisi, bisschen viel Sonne, ähäm, hab mich so ein bisschen verbrannt...." Gemurmel in nicht vorhanden Bart folgt. 

Ehrlicher wäre: "War in Kutaisi und Batumi, viel zu viel Sonne, schlimmster Sonnenbrand seit langem."

Naja, so schmiere ich jetzt seit zwei Tagen Jogurt, Aloe Vera und Nivea Creme (darauf konnten sich die meisten google-Ergebnisse einigen) auf Gesicht, Bauch und Beine und hoffe, dass es besser wird.

Egal, ich dachte, ich arbeite mal wieder meine "Darüber würde ich gern schreiben"- Liste ab, hab ja schon wieder länger nichts geschrieben, dabei ist ziemlich viel passiert:
-ein Westpaket von enormen Ausmaß
-ein Ausflug mit dem Auto nach Kachetien
-das Schulfinale des Vorlesewettbewerbs
-ganz viel Training für den Debattier-Wettbewerb
-der Tag des Sieges
-ein minikleiner Türkeiurlaub
-eine riesengroße und übervolle Deutsche Woche
-Couchsurfer
-die Rückkehr der ersten Austauschschülerin
-ein Schulausflug nach Kachetien
-ein Besuch bei einer anderen Schule
-das Farbfestival
-ein Ausflug ans Schwarze Meer...

Außerdem wollte ich mal endlich ein paar Fragen beantworten und deswegen gibts jetzt wieder eine Flut an Posts, viel Spaß dabei;)
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Montag, 7. Mai 2012

Käsespätzle im Kaukasus oder Kein ruhiges Wochenende

Sondern.
Freitag: Konzert
Samstag: Konzert, Losfahren
Sonntag: Ankommen und Heimfahren
DasistsoinGeorgien

Bitteschön, ein Elfchen. Und ja, "DasistsoinGeorgien" ist ein Wort, das ist dichterische Freiheit!

Kommen wir zu den Details!

Am Freitag waren wir (unsere WG, Micha, der Couchsurfer, ein paar andere Leute von hier) bei einem Auftritt von Suchischwili: Wieder klassischer Fall von "Kann ich nicht beschreiben." Es fängt an mit eher lateinamerikanischen Tänzen, das ist gut, aber nichts besonderes. Dann kommen die georgischen Tänze und die sind sehr gut und besonders. Schöne Einstimmung auf ein Wochenende auf jeden Fall und auch etwas, was man gesehen haben sollte, wenn man ein Jahr in Georgien gelebt hat.

Am Samstag gibt es dann ein amerikanisches Konzert: Chris, ein Freund von uns, und einige andere amerikanische Freiwillige (Englisch-Lehrer) spielen einen Nachmittag lang im Park direkt bei uns um die Ecke Gitarre, Akkordeon, Banjo und Ukulele, singen dazu und verbreiten eine ganz wunderschöne Stimmung, zu der man sich perfekt sonnen und dabei Neger-Tarot oder anderes spielen kann. Nebenbei kann man planen, was man denn spannendes mit einem ausgebauten Pick-Up, der einem Couchsurfer gehört, anstellen kann. Ja, ausgebauter Pick-Up, so VW-Bus-Style. Ja, so ein Ding, was auf jeder, wirklich jeder "Lebens-To-Do-Liste" auftaucht. Und jetzt eben auch vor unserer Wohnung. Micha, der Couchsurfer, wohnt darin momentan am Kaspischen Meer in Aserbaidschan, wo er beruflich Vögel beobachtet.
Also, was kann man da machen? Naja, in den Norden Richtung Russland fahren zum Beispiel!

Als das Konzert zu Ende ist, planen wir also in einem Café noch ein bisschen weiter und dann packen Valerie (meine österreichische Mitbewohnerin), Micha und ich das Nötigste (warme Klamotten, Zahnbürste, Wein, Schokolade) ein und fahren los. Und nach etwa einer Stunde (ich liege während der ganzen Fahrt hinten auf Bergen von Schlafsäcken mit Panorama-Fenster nach hinten raus) müssen wir zugeben, dass wir uns verfahren haben. Schade. Fragen wir mal nach. Kriegen wir von einem netten Georgier eine Flasche selbstgemachten Wein geschenkt und den Weg gezeigt. Danke, nehmen wir doch beides glatt an.

Noch eine Stunde später: Es ist dunkel, wir haben Hunger und noch nicht mal die Hälfte der Strecke. Aber hey, ich kenne da doch ein gutes Restaurant in Ananuri! Essen wir doch da. Gesagt, versucht, fast gescheitert. Warum? Naja, das Restaurant ist so gut, dass dort manchmal Hochzeiten stattfinden. Heute zum Beispiel. Ist ja schön für die Brautleute, aber doof für uns, wenn es deswegen keinen freien Tisch gibt. Statt einen auf Maria und Josef zu machen (Restauranttüren, an die wir klopfen könnten, gibts im Umkreis von 40km eh nicht) betteln wir ein bisschen auf Georgisch (ich), Russisch (Micha) und Georgischrussisch (Valerie). Unsere vereinten Sprachkenntnisse erwärmen das Herz des Kellners (oder wie auch immer), jedenfalls gibt es da doch noch einen kleinen Stall Raum auf dem Dachboden, da könnten wir eventuell.... Allet klar, nehmen wir.
Hungrig bestellen wir erstmal alles, was geht. Oder auch nicht geht, wie der Kellner uns zwei Minuten später erzählt. Kochen kann man leider nichts mehr, wegen der Hochzeiten, ob es eveeentuell möglich wäre, dass wir einfach die Reste essen? Die Reste von einer georgischen Hochzeitstafel? Ja, ich glaube, dazu könnten wir uns eveeeentuell herablassen. Und so gibt es verschiedensten Fisch, Hühnchen, Salat, Brot, Kaviar, unterschiedliche Limonaden, Bier, Wein... alles etwas kalt, aber dafür gratis. Ja geil, danke!
Dazu gibt es die georgische Version von Hochzeitsmusik. Techno-Remixes von wunderschönen Liedern, wie zum Beispiel Last Christmas oder Rivers of Babylon, gekrönt von einem Lied, das dem Bräutigam aus dem Herzen zu sprechen scheint: "I wanna fuck you now!" (In Georgien ist "Kein Sex vor der Ehe" noch viel aktueller als in deutschen Gefilden). Na, da drehen wir doch mal auf und freuen uns.

Irgendwann ist es dann nach Mitternacht und wir die letzten Gäste, na, das ging ja schnell. Dann fahren wir wohl noch ein bisschen weiter, um einen schönen Schlafplatz zu finden. Ist auch gar kein Problem, wir meiden einfach alle Plätze, wo schon andere Autos stehen und werden schnell fündig. Zu dritt wirds hinten kuschelig, aber so friert auch keiner.
Am nächsten Morgen können wir beim Zähneputzen grandiose Aussichten genießen, uns in einem Gebirgsbach waschen (okay, das klingt romantischer als es ist, es ist schlichtweg arschkalt) und dann schnell weiterfahren, um unser Ziel - Kasbegi - zu erreichen. In dem Ort, der am Fuße eines 5000er-Gletschers liegt, kaufen wir erstmal nur schnell Brot und fahren dann weiter Richtung Norden: Nur noch 15km liegen zwischen uns und Russland! Noch vor der Grenze finden wir zufällig den perfekten Frühstücksort: Wir blicken über ein riesiges Tal, vertreiben ein paar Kühe und machen uns dann das ultimative Bergfrühstück - in den Untiefen seines Autos hat Micha nicht nur Cappucchinopulver, sondern auch Tütensuppen en Masse, zum Beispiel Käsespätzle. Sowas hab ich seit über sechs Monaten nicht mehr gegessen! Wir kochen unsere Würstchen gleich mit und essen dann glücklich, bevor es weiter nach Russland geht.

Die Grenzerfahrung ist erwartungsgemäß kurz: Passieren dürfen wir ja eh nicht (das darf keiner), also machen wir ein paar Beweisfotos und fahren dann zurück nach Khasbegi. Dort war ich Anfang Oktober schonmal mit Lisa, diesmal ist das Wetter jedoch viel besser, deswegen wandern wir bis oben zu einer Kirche, wo wir uns mit Schokolade belohnen, wieder mal ein paar Bilderchen machen und dann langsam wieder nach unten laufen. Währenddessen macht Micha mich und Valerie immer wieder begeistert auf seltene Vögel aufmerksam (unsere Begeisterung ist eher gebremst, aber Vogelbeobachterwitze sind lustig), Valerie macht Micha und mich immer wieder auf die Eigenheiten Österreichs und die Arroganz Deutschlands aufmerksam (sie hat recht, aber Österreicherwitze sind trotzdem lustig), ich mache Valerie und Micha immer wieder auf den Altersunterschied, ich bin mit 20 mit großem Abstand die Jüngste, aufmerksam (DuBistEinKleinesBabyWitze sind scheinbar auch lustig). Bei so viel Aufmerksamkeit vergeht die Zeit sehr schnell und lustig und schon sind wir wieder unten, kaufen ein bisschen Essen ein und machen uns auf den Rückweg.

Hups, schon wieder ein Wochenende rum, wie konnte das denn geschehen.


Von West nach Ost - Besuch Nummer Zwei (mit vielen Fotos!)

War ich Anfang April mit meiner Schwester im Westen Georgiens und in unserem westliche Nachbarland, ging es die Woche drauf mit meiner Mutter und meiner Mitbewohnerin Hannah in den Osten Georgiens und in unser östliches Nachbarland. Das ist jetzt auch schon wieder eine Weile her, deswegen gibts nichts chronologisches, sondern nur ein paar Erinnerungen.

Dienstagabend, der erste Abend mit Mama: Wir gehen essen. Aber nicht Chatschapuri, Chinkali, Mzwadi, K'idris-P'omedori-Salati und wie die ganzen (für euch unaussprechbaren) georgischen Leckereien heißen. Nein, nach etwa zwei Wochen Besuch (erst Adriana und dann Solli) kann ich vorerst kein georgisches Essen mehr sehen. Vielmehr will ich schon seit längerem mal wieder im "Cafe Gallery", wo wir so manche Nacht/frühen Morgen bei guter Elektro-Musik verbringen, essen gehen. Und weil Mama natürlich keine Einwände hat, wird das auch gemacht. So gibt es immerhin "östliches" Essen: Pelmeni und Borsch. Mjammi.
Doch der wirklich kulinarische Höhepunkt des Abends ergießt sich mir zu Füßen, als Mama ihre Reisetasche öffnet: Nutella! Gouda! Kaffee! Milka! Schokoostereier! Osterschokolade!
Dazu kommen noch tolle/nützliche Dinge wie Wanderschuhe, Bücher, Zeitschriften, Briefe... Gefühlt die Hälfte ihres Gepäcks wandert in meinen Magen oder in meinen Besitz! Juhu!
Mit solchen Gedanken im Hinterkopf (und solchem Essen im Bauch) geht der nächste Schultag auch schnell rum und die Osterferien (6 Tage) beginnen.

Von Donnerstag bis Montag habe ich jetzt also Zeit, selbst noch ein bisschen weiter in Georgien rumzureisen und Mama die schönsten Orte zu zeigen. Der Klassiker: Tagesausflug nach Mzcheta, der alten Hauptstadt Georgiens. Ich muss sagen, dass ich der Stadt auch bei meinem zweiten Besuch nicht allzu viel abgewinnen kann. Schön gelegen, ja, aber eher langweilig und da ich mich auch nicht so für georgische Kirchen begeistern kann, ist auch die riesige dortige Kirche für mich nicht überwältigend. Aber das Gute ist: In Mzcheta ist man schnell und so ist die Fahrt dorthin eine gute Einstimmung auf folgende Marschrutka-Fahrten. Am Abend gehen wir dann noch in die Oper: Die deutsche Botschaft feiert das 20jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zu Georgien, und weil wir Freunde bei der GIZ haben, feiern wir kostenlos mit.

Abends werden dann noch die Rucksäcke für den nächsten Tag gepackt: Gen Osten, Kachetien, das georgische Weingebiet, soll es gehen. Vorerst geht es jedoch nur zwei Straßen weiter, sehr ungeorgisch ins "Downtown", wo man gut frühstücken gehen kann. Und danach geht es wirklich los. Das erste Ziel ist "Tsinandali", ein Ort, den mir eine Kollegin empfohlen hat, weil es dort einen sehr schönen, für Georgien eher untypischen Park gibt. Der Marschrutkafahrer lässt und also dort raus, der Park ist schnell gefunden und sieht auch sehr schön aus - von außen. Als wir nämlich versuchen, hineinzugehen, brechen die (wie immer überrepräsentierten und gelangweilten) Security-Leute in gelangweilte "Ara, no, no!"-Rufe aus. Ja wie, nein? Doch! Warum denn nicht? Obwohl ich diese Fragen auf Georgisch stelle, kriege ich keine vernünftige Antwort. Wir dürfen heute jedenfalls nicht in den Park, andere scheinbar schon, aber wir nicht. Na danke. Super. Wir versuchen es hinterrücks, sind aber erfolglos und beschließen darum, erstmal weiter zu fahren.

Ziemlich schnell kriegen wir eine Marschrutka in den nächsten größeren Ort: Telawi. Dort besichtigen wir den Basar, decken uns mit leckerem Essen ein und erhandeln uns danach das abgefuckteste Taxi von allen: Einen alten, blauen Lada. Der fährt uns in ca 20 Minuten nach Gremi, wo es eine Art Burg mit einer sehr schönen Kirche am Fuße des Großen Kaukasus gibt. Und da gibt es erstmal leckeres Picknick mit Obst, Gemüse und vor allem Paska: Dem georgischen Osterkuchen. Paska, die erste georgische Vokabel, die ich von meiner Mutter gelernt habe. Die hat sie wiederum von Gwanza, die gerade für drei Monate bei meiner Familie wohnt. Paska ist ein runder, hoher Kuchen, der hier etwa zwei Wochen lang an allen Ecken verkauft wurde und ziemlich lecker ist.
Die Besichtigung des Museums, das zur Kirche gehört, müssen wir wegen Ostern (ergo Feiertag) leider ausfallen lassen. Die Freunde von mir, die ein paar km entfernt arbeiten, erreichen wir per Handy nicht, kurz: Wir sind bereit zur Weiterreise und es wird auch schon Abend und wir brauchen noch eine Unterkunft.

Weil wir mitten auf dem Land natürlich kein Taxi kriegen, machen wir es wie (für mich) mittlerweile gewohnt: Haargummi raus, Daumen raus. Schon kurz darauf hält ein kleiner Pick-Up an und nimmt uns mit: Hannah und ich komfortabel im hinteren Teil auf Bläschenfolie, Mama vorne, alle zufrieden. Der Fahrer will's uns deutschen Frauen beweisen und schafft dieselbe Strecke in 5 Minuten zurück. 15 Minuten Unterschied, Respekt! Trotzdem sind wir alle ein bisschen froh, es überlebt zu haben.

In Telawi angekommen beschließen wir, die letzte Marschrutka nach Signagi, einer Stadt weiter im Süden, zu nehmen. Dieser Beschluss ist zwar schön und gut und praktisch und auch billig, aber leider unmöglich. Mit den letzten Marschrutkas hab ich es ja nicht so (man erinnere sich an Ananuri), auch diesmal sind wir zu spät und stellen uns der Aufgabe, ein Taxi zu einem vernünftigen Preis zu finden. Jetzt haben wir aber alle drei keine Ahnung, was ein vernünftiger Preis ist und das Thema "Ausländerpreise" ist ja durchaus diskussionswert... Als gefühlt ganz Telawi um uns drei versammelt ist und uns Preise von 25 bis 100 Lari zuruft, geben wir auf und nehmen einfach den nächstbesten für 25 Lari.
In Signagi angekommen (etwa eine Stunde Fahrt) erfragen wir den Weg zu einem Gästehaus, das uns Adriana empfohlen hatte und verbringen dort einen lustigen Abend bei georgischem Wein, hausgemachtem Essen und mit der Gesellschaft der wirklich netten Familie und anderen Gästen aus Hongkong.

Für den nächsten Tag planen wir mit dem Gästhausbesitzer einen Trip nach Dawid Garedji, einem Höhlenkloster, das in einer Wüste an der Grenze zu Aserbaidschan liegt.
Das ist jetzt wirklich schwer zu beschreibe, die Landschaft ist einfach etwas, was ich noch nie gesehen habe und sehr beeindruckend fand. Außer uns waren Scharen von deutschen Rentnern dort unterwegs, die auch allesamt sehr begeistert waren.

Wie gesagt, Dawid Garedji liegt direkt an der Grenze zu Aserbaidschan. Aserbaidschan, ein muslimisches Land, für das man ein Visum braucht, was etwa 60Euro kostet. Selbstverständlich reizt mich das! 
Ein paar Grenzsoldaten, die Deutsch sprachen, warnen uns zwar und wir geben die Warnung ("Hinter dieser Kirche ist die Grenze, Achtung!") auch an die anderen deutschen Touristen weiter. Einer von ihnen - so ein älterer Mann, der weise und weitgereist und erfahren und all so was aussieht - erzählt uns, dass es dort eventuell auch Minen gibt. Na wunderbar.

Aber hey, wir probieren das trotzdem mal.
So machen wir uns auf den Weg zu einer 2stündigen Wanderung in der Umgebung des Klosters. Und da ist sie, plötzlich, die Grenze. Ein Zaun. Ein sehr, sehr niedriger Zaun. Und vielleicht Minen? Vorsichtshalber überqueren wir die Grenze nicht, sondern laufen weiter an ihr entlang. Bis der Pfad uns direkt über die Grenze führt. Und wir bestimmt fünf Minuten davor stehen, uns in unserer Hysterie gegenseitig hochschaukeln und Angst vor diesen blöden Minen haben. Bis Hannah den Kopf schüttelt und todesmutig drüber steigt. Ein Schritt, der zwischen Leben und Tod entscheidet. Ein Schritt, der sich sehr eindeutig für Leben entscheidet. Ein Schritt, dem ich nachfolge. Och nee, jetzt werde ich für immer der Feigling sein, der als zweites ging!!

Aserbaidschan fühlt sich gut an. Illegal in einem Land, uuuh! Aufregend. Heiß. Durstig. Landschaftlich sehr anders als alles bisher gesehene, irgendwie sehr weit.
Ein paar Minuten später treffen wir auf den Mönch Giorgi, der uns ein paar sehr schöne uralte Höhlen zeigt und uns auch beim Rückweg helfen will. Er scheint den Weg zu kennen und wir sind auch schon fast wieder beim Kloster angekommen, als er plötzlich anhält und wir den Weg wieder ein gutes Stück zurück (ergo bergauf) gehen müssen. Uppsala, fast hätte er uns aus Versehen genau ins Kloster geführt. In ein ortodoxes Männerkloster, wo wir als unorthodoxe Frauen nun wirklich nichts verloren haben. Na das wäre ja lustig gewesen.
Schade drum, aber so verbleiben wir legal und kommen irgendwann auch wieder unten an, ohne dass wir von Schlangen, Mönchen oder Aserbaidschanischen Minen getötet wurden. Yes!

Am nächsten Tag gucken wir uns noch ein bisschen die Stadt an - ich persönlich mag die nicht so gerne, wobei die Lage wirklich genial ist. Nachmittags nehmen wir dann die Marschrutka nach Hause. Abends gibt es dort noch ein bisschen Hauptstadt-Sightseeing im armenischen Teil der Stadt, den ich selbst auch kaum kenne. Mit einer Kugel Eis aus dem besten Eisladen der Stadt endet der Tag.

Und schon ist wieder Montag, Mamas letzter Tag in Georgien und es gibt doch noch so viel zu sehen! Einer meiner Lieblingsorte in Tbilisi ist die Festung und der Botanische Garten und genau da werden wir picknicken gehen, so der Plan. Jetzt ist der botanische Garten zwar wegen Ostern geschlossen (na das kennen wir doch irgendwo her...), aber die Festung glücklichweise nicht und so gibt es noch einmal Ostereier, georgisches Brot und so weiter. Bis es Mittag ist und wir uns schon wieder beeilen müssen: Mama (und eigentlich auch ich, wie wir aber erst zu spät erfahren) ist nämlich von Gwanzas (Austauschschülerin) Familie eingeladen: Ihr steht ein typisch georgisches Familenfest bevor, der beste Abschluss, den man sich für einen Georgienurlaub vorstellen kann!

Und so vergeht die Zeit gewohnt schnell. Am Abend ist noch Zeit für ein Bier auf der Touristen-Meile und schon sitzt Mama wieder im Flugzeug (wenn auch dank der ständigen Verspätung von Turkish Airlines später als gedacht) und hier geht wieder ein bisschen der Alltag weiter. Zumindest für die nächsten Tage, bis wieder Wochenende und damit Ausflugszeit ist.

Was ich durch die drei Besuche (von Adriana, unserer kulturweit-Kollegin und Freundin aus Weißrussland, Solli, meiner Schwester, und Mama) gelernt habe: Ich selbst bin schon ziemlich drin in Georgien und ich staune gar nicht mehr so viel. Die Unterschiede zu Deutschland sind oft sehr klein, gerade die äußerlichen, sodass ich selbst sie nicht mehr bemerke. Mein "wir" meint nicht mehr die Deutschen. Zwar auch nicht die Georgier, aber immerhin doch all die Menschen, die in Georgien wohnen. Marschrutka ist Alltag, die schöne Landschaft ist Alltag, die Währung, die Sprache, die Entspanntheit, die Verkehr, die schrottigen Taxis. All so was.
Und das ist auch der Grund, warum es endlich mal wieder viele Fotos gibt: Mama und Hannah sehen das ganze hier noch viel touristischer und merken, wann man klicken sollte.

Das schrottigste Taxi - Innenansicht

An der Tankstelle: Der Lada fährt mit Gas, deswegen müssen beim Tanken immer alle Insassen aussteigen.

Beim Trampen in einem Pick-Up, hinten sieht man die bequeme Bläschenfolie


Ein typisch georgischer Innenhof in unserem Stadtviertel

Gedenkkränze am Parlament zum Tag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit

Unser Balkon - Urlaubsfeeling inklusive!

Ich in Mzcheta, der alten Hauptstadt (sieht aus wie ne deutsche Straßenecke, weil sie so viel Geld zur Restauration reingesteckt haben!)

Unser Hof (aber nicht unsere Wäsche;))

Hannah, Mama und ich vor der Marschrutkafahrt

Ein typisch georgischer Basar in Telawi

Aussicht von unserem Picknickplatz in Gremi

Noch mal Aussicht, hinten der Große Kaukasus

Mama und ich bei der Kirche von Gremi

Sicht auf Sighnaghi, hinten die Berge. Ein wenig gerechtfertigt ist es, dass die meisten Georgier Signagi als die schönste Stadt in Georgien bezeichnen.

Wüste im Südosten

Höhlenkloster Dawid Garedji (da oben wohnen wirklich Mönche!)

Kloster nochmal von weitem


Erster Blick auf die aserbaidschanische Grenze
Unsere Schatten sind schon drüben, wir zittern noch

Überlebt, illegal "eingewandert"!

Ein alltägliches Bild für mich, gesichtet in Signagi

Eine der Sehenswürdigkeiten Tbilisi's: Die Dreifaltigkeitskirche, erst 2004 gebaut!

Beim Essen gehen bei einem (georgischen) "Mexikaner"

Nochmal;)

Im Bäderviertel von Tbilisi, das gerade renoviert wird

Ein "Glücksbaum", in den man Taschentücher (oder im "Notfall" auch Plastiktüten) knotet