Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!,
brüllt ein hysterischer Schweizer auf der Pegida-Demo in Erfurt, einige brüllen
mit, einige pfeifen dagegen, ich hätte vor Schreck und Ekel fast auf die
Domstufen gekotzt.
Bin ein Wochenende in Deutschland, ein paar Tage nur, und
laufe aus Versehen in eine Pegida-Demo rein. Nein, es sind nicht zehntausende,
es sind nicht mal besonders viele, die im Chor mit dem hysterischen Schweizer
über die notwendige Befestigung der Festung Europa lamentieren. Er macht das
übrigens rhetorisch wirklich nicht besonders gut, drischt jedoch ein paar
Phrasen, wo all die Café-Gäste und Dom-Besucher unwillkürlich mal nicken.
Gehe da mal lieber weg, keine Lust, mir von hysterischen
Lamentierern den Würgereiz auslösen zu lassen und will auch nicht dafür
verantwortlich sein, dass demnächst eine Straßenreinigungskraft mehr nötig ist,
um die Erfurter Innenstadt einigermaßen geleckt und ansehnlich aussehen zu
lassen.
Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen! Ich
habe Deutschland verlassen, immer wieder mal, doch selten war meine Intention
dahinter tatsächlich das Verlassen von Deutschland, oder überhaupt das
Weggehen. Wenn ich einen Ort verlasse, liegt für mich der Schwerpunkt viel mehr
im Hin- als im Weggehen, ich habe es seit Jahren nicht mehr erlebt, wirklich
gerne einen Ort zu verlassen, hinter mir zu lassen. Liebe ich Deutschland
nicht? Und was ist überhaupt Deutschland? Kann man einen Staat, eine
Verwaltungseinheit, eine Nation gar lieben?
Es ist sicher nicht so, dass ich es nicht mag, in
Deutschland zu leben: Das Leben dort ist vergleichsweise sicher, relativ
gesehen durchaus günstig, die Möglichkeiten vielfältig, das Wetter könnte
manchmal besser sein, ebenso wie die Laune und das Verhalten mancher Menschen. Nun
ist es aber so, dass es schlechtes Wetter, schlechte Laune und schlechte Manieren
überall mal gibt: wenn man deswegen sofort aufhören würde, einen Ort zu lieben
und als Konsequenz aus fehlender Liebe direkt abreisen – ja dann bräuchte man
seinen Koffer niemals auszupacken!
Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen! Sie
brüllen, andere nicken, viele hören intensiv weg. Wenn ich Deutschland, oder
doch zumindest mein Leben dort, aber liebe, warum habe ich es dann verlassen?
Warum ließ ich ein gutes Leben hinter mir? Nun ja, weil das nicht so einfach
ist mit der Liebe: weil man durchaus mehrere Orte, mehrere Lebensentwürfe,
mehrere Wohnungen, mehrere Alltage, mehrere Freundeskreise und viele Menschen
lieben kann. Ich verließ ein gutes Leben, ich kehrte in ein anderes gutes Leben
zurück und ich begann ein weiteres gutes Leben an einem neuen Ort. Das Gute
hierbei: wenn ich ein Leben verlasse, dann wird dieses Leben im besten Fall
nicht eifersüchtig auf mein neues Leben, sondern freut sich für mich. Und ein
Leben zu verlassen muss nicht endgültig sein, in diesem Fall klappt so etwas
wie eine Beziehungspause nämlich tatsächlich.
In diesem Sinne: liebes Leben in Deutschland, die
Beziehungspause ist bald vorbei und ich freu mich drauf!
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