Zwei Tage frei. Entweder: Qualmende Schornsteine, ein Meer
ohne Strand, riesige Kähne, Lärm, viel zu viel Verkehr, außer den üblichen
Kirchen keine weiteren Sehenswürdigkeiten und nicht einmal ein einziges Hostel
in der Stadt. Wir reden von Italien, aber wenn man von Italien redet, redet
keiner von dieser Stadt. Sie ist nicht einmal berühmt für gute Pizza.
Oder: Schroffe Klippen, einsame Buchten, Sonne,
bestbewertete Privatunterkünfte zu guten Preisen, denn es ist Nebensaison.
Wilde Natur, eine Anreise mit dem Katamaran, frischer Fisch und schöne
Sonnenuntergänge garantiert. Eine Insel, die ich jeden Morgen durchs Fenster
von meinem Berg sehe, aber noch nie betreten habe, ein Sehnsuchtsort,
sozusagen.
Natürlich entscheiden wir uns für die ungeliebte, nicht
empfohlene Stadt, über die wir nichts wissen außer ihrer ungefähren Lage (in
der Nähe, aber in Italien) und dem Abfahrtsgleis des Busses, der uns dorthin
bringen wird.
Ankunft in einem Busbahnhof, der eher einer Tiefgarage
gleicht. Zusage eines Couchsurfers rettet uns davor, mal wieder eine Nacht am
Bahnhof zuzubringen. Überraschend viele Hinweisschilder für überraschend viele
Sehenswürdigkeiten, denen wir erst einmal folgen, bis wir an einen kleinen
Kanal gelangen, auf dem kleine Fischerboote schaukeln. Setzen uns auf die
ebenso schaukelnde Terrasse eines Cafés auf dem Kanal, trinken Latte Macchiato,
ist gar nicht so teuer, denken wir. Um uns herum tragen die Leute Sonnenbrille
und keine Jacken, fahren Mofa und Fahrrad, gestikulieren höchst italienisch und
essen Eis.
In der Stadt, in der ich wohne, gibt es einen ähnlichen
Kanal, ähnliche Fischerboote, den Blick auf dasselbe Meer, etwas schmuddelige
Prachtbauten aus früheren Zeiten in ähnlichem Stil, eine intensive Kaffeekultur
und freundliche Kaffeepreise.
Was ist hier anders, was können knapp 70km und zwei Grenzen
(innerhalb der EU, aber doch Landesgrenzen) für einen Unterschied machen?
Bei mir schaukeln auf dem Kanals keine Café- Terrassen,
sondern nur Boote, schade eigentlich. Bei mir gibt es keinen Latte Macchiato,
sondern nur Macchiato oder Bijela Kava oder Cappuccino oder Milchkaffee (eines
Tages sollte mir ein Kaffeefetischist mal all diese Sorten erklären, ein
kroatischer Kaffeefetischist, versteht sich). Bei mir gibt es keine Mofas und
wegen all den Bergen (und all den Autos) quasi keine Fahrradfahrer. Man
gestikuliert höchst Kroatisch und besonders viele Eisdielen gibt es nicht, noch
nicht, hoffe ich. Bei mir gibt es weniger Kirchen und tatsächlich mehr
sozialistische Plattenbauten als hier.
Die Berge sind ähnlich, die Burg steht auch hier auf einem
Berg mitten in der Stadt, kostet allerdings Eintritt und schließt abends um
sechs. Das Meer ist angeblich das gleich, fühlt sich hier aber mehr wie ein
Meer an als bei mir. Ist das nur die Macht der Gewohnheit oder stinkt der Fisch
in Italien einfach intensiver? Es ist warm und wir hören Geschichten von der
Bora, dem Sturm, der bei mir Bura heißt. Die Geschichten ähneln sich, nur ist
der Sturm auf der eigenen Seite wohl immer schlimmer als bei den anderen, man
selbst widerstandsfähiger. Außer Kirchen und Burgen und Cafés und Eisdielen
gibt es überraschend wenige Pizzerien, aber die Stadt ist eben auch nicht
bekannt für Pizza. Stattdessen weist uns ein netter Couchsurfer ein in die
Kunst des italienisch Pasta- Essens und bietet uns zu italienischem Osterbrot
noch Honig aus Togo an. Schwarzfahren ist einfach, die Aussicht schön und es
gibt eine neue katholische Kirche, die aussieht wie ein altes, früher mal
modern gemeintes, sozialistisches Monument. Der Rosmarin vor der Monumentkirche
gehört wohl dem Papst, aber wir nehmen trotzdem was mit. Kletterer nutzen das
Wetter und den Einfallsreichtum der Natur, sie sehen nur im direkten Vergleich
zu all den Eidechsen eher unbeholfen aus, wie sie da an ihren Felswänden
hängen. Wir trinken einen letzten Kaffee am Kanal und folgen dann den Anweisungen
der Hitchwiki, die uns kostenlos zurück bringen sollen. Auf Hitchwiki ist (wie
so oft) Verlass und schneller als der Bus sind wir wieder im Land, wo man statt
Pizza Burek und statt Latte Macchiato Bijela Kava trinkt.