Montag, 20. April 2015

Hässliche, langweilige Industriestädte in Italien

Zwei Tage frei. Entweder: Qualmende Schornsteine, ein Meer ohne Strand, riesige Kähne, Lärm, viel zu viel Verkehr, außer den üblichen Kirchen keine weiteren Sehenswürdigkeiten und nicht einmal ein einziges Hostel in der Stadt. Wir reden von Italien, aber wenn man von Italien redet, redet keiner von dieser Stadt. Sie ist nicht einmal berühmt für gute Pizza.

Oder: Schroffe Klippen, einsame Buchten, Sonne, bestbewertete Privatunterkünfte zu guten Preisen, denn es ist Nebensaison. Wilde Natur, eine Anreise mit dem Katamaran, frischer Fisch und schöne Sonnenuntergänge garantiert. Eine Insel, die ich jeden Morgen durchs Fenster von meinem Berg sehe, aber noch nie betreten habe, ein Sehnsuchtsort, sozusagen.

Natürlich entscheiden wir uns für die ungeliebte, nicht empfohlene Stadt, über die wir nichts wissen außer ihrer ungefähren Lage (in der Nähe, aber in Italien) und dem Abfahrtsgleis des Busses, der uns dorthin bringen wird.
Ankunft in einem Busbahnhof, der eher einer Tiefgarage gleicht. Zusage eines Couchsurfers rettet uns davor, mal wieder eine Nacht am Bahnhof zuzubringen. Überraschend viele Hinweisschilder für überraschend viele Sehenswürdigkeiten, denen wir erst einmal folgen, bis wir an einen kleinen Kanal gelangen, auf dem kleine Fischerboote schaukeln. Setzen uns auf die ebenso schaukelnde Terrasse eines Cafés auf dem Kanal, trinken Latte Macchiato, ist gar nicht so teuer, denken wir. Um uns herum tragen die Leute Sonnenbrille und keine Jacken, fahren Mofa und Fahrrad, gestikulieren höchst italienisch und essen Eis.

In der Stadt, in der ich wohne, gibt es einen ähnlichen Kanal, ähnliche Fischerboote, den Blick auf dasselbe Meer, etwas schmuddelige Prachtbauten aus früheren Zeiten in ähnlichem Stil, eine intensive Kaffeekultur und freundliche Kaffeepreise.

Was ist hier anders, was können knapp 70km und zwei Grenzen (innerhalb der EU, aber doch Landesgrenzen) für einen Unterschied machen?

Bei mir schaukeln auf dem Kanals keine Café- Terrassen, sondern nur Boote, schade eigentlich. Bei mir gibt es keinen Latte Macchiato, sondern nur Macchiato oder Bijela Kava oder Cappuccino oder Milchkaffee (eines Tages sollte mir ein Kaffeefetischist mal all diese Sorten erklären, ein kroatischer Kaffeefetischist, versteht sich). Bei mir gibt es keine Mofas und wegen all den Bergen (und all den Autos) quasi keine Fahrradfahrer. Man gestikuliert höchst Kroatisch und besonders viele Eisdielen gibt es nicht, noch nicht, hoffe ich. Bei mir gibt es weniger Kirchen und tatsächlich mehr sozialistische Plattenbauten als hier.


Die Berge sind ähnlich, die Burg steht auch hier auf einem Berg mitten in der Stadt, kostet allerdings Eintritt und schließt abends um sechs. Das Meer ist angeblich das gleich, fühlt sich hier aber mehr wie ein Meer an als bei mir. Ist das nur die Macht der Gewohnheit oder stinkt der Fisch in Italien einfach intensiver? Es ist warm und wir hören Geschichten von der Bora, dem Sturm, der bei mir Bura heißt. Die Geschichten ähneln sich, nur ist der Sturm auf der eigenen Seite wohl immer schlimmer als bei den anderen, man selbst widerstandsfähiger. Außer Kirchen und Burgen und Cafés und Eisdielen gibt es überraschend wenige Pizzerien, aber die Stadt ist eben auch nicht bekannt für Pizza. Stattdessen weist uns ein netter Couchsurfer ein in die Kunst des italienisch Pasta- Essens und bietet uns zu italienischem Osterbrot noch Honig aus Togo an. Schwarzfahren ist einfach, die Aussicht schön und es gibt eine neue katholische Kirche, die aussieht wie ein altes, früher mal modern gemeintes, sozialistisches Monument. Der Rosmarin vor der Monumentkirche gehört wohl dem Papst, aber wir nehmen trotzdem was mit. Kletterer nutzen das Wetter und den Einfallsreichtum der Natur, sie sehen nur im direkten Vergleich zu all den Eidechsen eher unbeholfen aus, wie sie da an ihren Felswänden hängen. Wir trinken einen letzten Kaffee am Kanal und folgen dann den Anweisungen der Hitchwiki, die uns kostenlos zurück bringen sollen. Auf Hitchwiki ist (wie so oft) Verlass und schneller als der Bus sind wir wieder im Land, wo man statt Pizza Burek und statt Latte Macchiato Bijela Kava trinkt.