Mittwoch, 21. März 2012

Von Straßenhunden und Polizisten

[Achtung, Achtung, dieser Blog ist zutiefst subjektiv und alles, was ich hier behaupte, sind lediglich Beobachtungen einer recht naiven Deutschen, die durch Tbilisi schlendert und mit vergleichsweiser entspannter Arbeit um einiges mehr verdient als ihre georgischen Kollegen. Soll heißen: Das hier sind keine Fakten, sondern einfach nur EINE Sicht der Dinge. Nur so, nich dass es Ärger gibt.]

Als würde er sagen wollen "Du kannst mich mal..." :D


Es gibt ja zwei Sorten Menschen.
Okay, nee, stop, so fangen schlechte Texte an.
Es gibt unglaublich viele verschiedene Sorten von Menschen.
Stimmt, bringt mit aber keine gute Überleitung zu meinem Thema.
Es gibt ja zwei Sorten Menschen.
Einer muss ja mal damit anfangen, einen guten Text mit "Es gibt ja zwei Sorten Menschen" einzuleiten.


Es gibt Menschen, die streicheln jeden Hund sofort und quietschen, sobald sie einen wedelnden Schwanz sehen (chrmchrm^^). Ich nicht. Ich habe einen gehörigen Respekt vor Hunden, früher war es panische Angst, jetzt ist es eher elegantes Aus-dem-Weg-gehen. Hunde können beißen, und auch wenn jeder Hundebesitzer noch so oft "Der will nur spielen!" sagt: Ich will aber nicht Spielzeug sein! Jedenfalls, in Deutschland hatte ich Angst vor Hunden.

Es gibt Menschen, die automatische langsamer fahren, wenn sie ein Polizeiauto sehen. Die gleichen Menschen, die sich unsicher fühlen, wenn sie zu viele Security-Männer auf einem Haufen sehen. Die Menschen, die einfach immer so ein mulmiges Gefühl in der Magengegend haben, wenn irgendwo eine Polizeiuniform zu sehen ist. Die Menschen, die mit "dein Freund und Helfer" nicht so viel anfangen können und sich immer gleich wie ein Verbrecher fühlen. Ich, zum Beispiel.

Das war.
In Deutschland.
Doch jetzt hat sich einiges geändert.

In Georgien gibt es ziemlich viele Straßenhunde. Auf meinem Schulweg begegne ich ihnen, wenn ich einkaufen gehe, nachts auf den Straßen, tagsüber unter den unzähligen Parkbänken in den unzähligen Parks, sie sind einfach immer präsent. Und sobald ich einmal an einer Horde Straßenhunde vorbei gelaufen war, war meine Angst weg. Weil Straßenhunde hier halt einfach nur chillen, essen suchen, rumliegen. Ich glaube, dass das in Deutschland wieder anders sein wird, aber georgische Hunde bellen nicht UND beißen nicht. Find ich ziemlich klasse.

In Georgien gibt es auch ziemlich viele Polizisten. Auf meinem Schulweg begegne ich ihnen, wenn ich einkaufen gehe, nachts auf den Straßen, tagsüber auf den unzähligen Parkbänken in den unzähligen Parks, sie sind einfach immer präsent. [Hier könnte ein politischer Exkurs stehen, in dem ich erzählen könnte, dass Saakashvili - seines zeichens georgischer Präsident - die gesamte Polizei nach der Revolution ausgewechselt hat. Dass es deswegen so viele gibt. Dass es im georgischen Vergleich ein super bezahlter und deshalb beliebter Job ist. Und anderes.] Und sobald ich einmal an einer Horde Polizisten vorbei gelaufen war, war meine Angst weg. Weil Polizisten hier halt einfach nur chillen, essen suchen, rumliegen und Backgammon spielen. Ich glaube, dass das in Deutschland wieder anders sein wird, aber georgische Hunde bellen nicht UND beißen nicht georgische Polizisten erwecken bei mir persönlich einfach keinen ernst zu nehmenden Eindruck. Bei mir persönlich. Find ich ziemlich klasse.

[Ein Foto von den Polizisten, die auf den Parkbänken chillen, hab ich ich dann doch nicht getraut, zu machen:D]

Neues Halbjahr, neues Glück

Eins der vielen verfallenen und trotzdem schönen Häuser, ca 5 Minuten zu Fuß von meiner Wohnung
Ich habe manchmal das Gefühl, dass Zeitangaben im groben Sinne heutzutage nicht mehr nach Monaten getroffen werden sollten. Denn nicht mehr ein starrer Kalender mit Jahren, Monaten, Wochen und Tagen gliedert unser Leben. Nein, mittlerweile sind wir alle furchtbar flexibel, jederzeit erreichbar, Individuen, ja, ich will auf Facebook hinaus!
Ich glaube nämlich wirklich, dass wir keinen Kalender mehr brauchen.
Wie ich das meine? So:
Letztes Jahr im Sommer war Facebook geprägt von "Heute Abschiedsparty bei mir!" - "xy sollte dann jetzt mal Koffer packen, morgen gehts loooos!" - "Gut in Australien/Amerika/Honululu angekommen!!"
Im Herbst klang es eher nach "Erste Woche Studium - check!"
Im Winter folgte wahlweise "xy ist noch gar nicht in Weihnachtsstimmung", "xy trinkt gerade Glühwein" oder "xy hat gerade ganz viele Plätzchen gebacken!"

Momentan beherrschen im Wesentlichen zwei Themen meine Facebook-Startseite:
"Abi - check" und "sechs Monate bin ich jetzt schon in Australien/Amerika/Honululu".
Ersteres sind die Pseudo-13er und 13er, letzteres all meine kulturweit-Homies.
6 Monate. S e c h s   M o n a t e ! ! !
Tja, was soll man dazu sagen? "Alter Schwede" triffts ganz gut, find ich.
Sechs Monate, ist das viel oder wenig, "schon" oder "erst"? Ich verfolge ja so einige der Blogs meiner Mitfreiwilligen und kann glücklicherweise sagen, dass die meisten "schon" gewählt haben.

Heute hat eine Mitfreiwillige freudig verkündet, dass wir alle uns schon in 21 Wochen wieder sehen. 21 Wochen, das klingt verdammt wenig, finde ich. Bei mir ist es nämlich ein dickes, fettes "schon???". Ich kann nicht sagen, dass es die besten, am schnellstes vergangenen sechs Monate meines Lebens waren - bisher habe ich mein Leben nie in 6-Monats-Abstände eingeteilt. Ich kann aber sagen, dass ich
-ne Menge ziemlich tolle Menschen kennengelernt habt
-mich erfolgreich sechs Monate ernährt habe, ohne Papa, der kocht
-meine Wäsche jetzt selbst waschen kann
-mich grundlegend auf Georgisch verständigen kann
-mich mit der georgischen Post auf ein paar Grundsätze geeinigt habe
-bei Strom-/Gas-/Wasser- und Heizungsausfall überlebt habe
-die deutsche Grammatik hassen gelernt habe
-die georgische Schrift lesen, schreiben und lieben gelernt habe
-drei von vier Nachbarländern Georgiens bereist habe
...und so einige andere Dinge.
Hm, das klingt jetzt so sehr nach Fazit, als wäre das hier schon zu Ende, als wäre ich schon fertig mit Georgien.
Dem ist aber nicht so. Sind ja doch noch 21 Wochen. Und es gibt so einige Dinge, die mir noch bevorstehen:
Die georgische Sprache, die ich realistisch gesehen nie annähernd fließend beherrschen werde. Jeden Tag habe ich ein paar "Aha"-Momente, wenn ich ein Wort, dass ich nebenbei schon tausendmal gehört habe, endlich mal nachfrage.
Tbilisi, das ich mir schon lange nicht mehr aus rein touristischer Sicht angeschaut habe. In den letzten Wochen sind ja einige neue Praktikanten angereist, für die ich ein bisschen Touriführer gespielt habe. Trotzdem habe ich sehr viele Ecken noch nie gesehen.
Generell Georgien, das noch einige Ecken bereithält, in nahezu allen Himmelsrichtungen.
Besuch aus Deutschland, der in den nächsten Wochen mit Adriana (kulturweit-Freiwillige in Belarus), Solli (Schwester) und Mama gleich dreifach ansteht. 
...und so einiges anderes. 

Zu diesem Möchtegernfazit kommen jetzt (und zwar wirklich jetzt, aus den ganzen "morgens", die ich besonders gern am Ende von Posts verwende, wird ja doch nich was) noch ein paar Fotos, die ich heute bei einem Streifzug durch die Stadt gemacht habe: 
Plastiktüten - vorwiegend pinke - gibt es hier immer und überall bei jedem Einkauf. Ich bin mir sicher, dass sie Importgut-No-1 sind! Die Tradition, sie in Bäume zu hängen, soll wohl Glück bringen. 

Blick von einem Park auf das Stadtviertel Saburtalo, in dem meine Schule ist. Ich mag das Viertel wirklich sehr gerne, die ganzen Wohnblöcke haben so was von einem Hochhauswald:)

Eine Seltenheit in Georgien: Straßenkünstler. Musiker sieht/hört man hier oft, aber Schauspiel o.Ä. habe ich heute zum ersten Mal gesehen.

Dass so ein Fahrzeug plötzlich im Weg steht, passiert öfter mal.

NIEMAND fährt hier Fahrrad. Und in dem Park, in dem das Foto entstanden ist, gab es auch keine Autofahrer, weswegen mir der Sinn des Fahrradstreifen ziemlich unklar ist. Trotzdem schön;)

"Wohnungen" in der Nähe meiner Schule

Sonntag, 18. März 2012

An Gleis 9 3/4 fährt jetzt ein... bitte Vorsicht bei Einfahrt des Zuges!

Ich wohne in einem Durchgangsbahnhof.
Oder anders gesagt: Einer Wohnung mit 4 Schlafzimmern, 5 Betten, einem Sofa, einem Sessel und sehr viel Fußboden. Einer Wohnung mit sehr viel Gabeln, aber zu wenig Löffeln (ein bisschen wie bei Dornröschen...). Einer Wohnung mit zu wenig Kaffeetassen und (Wein-)Gläsern. Einer Wohnung mit einem enorm großen Frühstückseiverbrauch. Einer Wohnung, zentral in Tbilissi. Einer Wohnung, in der sich irgendwie immer alle treffen. Einer Wohnung, wo immer mal irgendwer wohnt und besucht und Besuch bekommt und etwas oder jemanden sucht.

Ich mag meinen persönlichen Durchgangsbahnhof. Ich mags, dass hier (momentan) Leute aus drei verschiedenen Ländern wohnen. Ich mags, dass immer mal jemand anderes etwas Leckeres kocht. Ich mags, dass ständig jemand vorbei schaut. Ich mags, dass jeder irgendwas mitbringt, sei es Kaffee, Musik, ein Brot, Wein, Wodka, gute Laune, Freunde.

Wenn ich jetzt versuchen würde, die verschiedensten Konstellationen aus kurzzeitigen Mitbewohnern, langzeitigen Mitbewohnern, langzeitigen Couchsurfern, spontanen Sesselsurfern und all so Getier zu erklären, würde ich alle nur verwirren, also lass ich das mal. Manchmal nervt das Bahnhofsgefühl auch ein bisschen: Wenn mal wieder jeder einen Liter Milch gekauft hat, aber weder Brot noch Haferflocken da sind. Wenn sich niemand für die Spüle verantwortlich fühlt. Wenn alle anderen erst mittags aufstehen müssen. Wenn kein warmes Wasser zum Duschen mehr da ist.

Aber allgemein muss ich sagen, dass es momentan ziemlich gut läuft. Wieder einmal hat sich Frühlingswetter eingestellt, wir haben unseren Balkon poliert und beblümt, in der Schule fühle ich mich fast die ganze Zeit sinnvoll, die Kinder sind süßer als je zuvor, die Kolleginnen immer noch super nett. Durch Tbilisi weht ein optimistischer Frühlingswind: Der ein oder andere Georgier ist nicht mehr komplett schwarz gekleidet, es gibt wieder Tomaten, Mütze ist nicht mehr obligatorisch, überall wird gebaut, Ausflüge werden geplant...

Generell ist grad irgendwie viel im Wandel, es passiert viel, viele neue Leute sind in der Stadt, es machen an jeder Ecke neue Bars und Hostels auf. So geht die Zeit einfach irre schnell rum und ich habe ein bisschen Angst, dass ich gar nicht mehr all das erleben und entdecken kann, was ich mir noch so vorgenommen habe. Also jetzt mal wieder weg vom PC - rein ins Reallife;)

Samstag, 3. März 2012

Einmal Westen und zurück - Oslo die Dritte

„Crash-Boom-Kulturschock-Ankommen-Kopfschüttelkopfschüttelkopfschüttel-Wiedersehensfreude-Spaßspaßspaß- Bankrott?-Schlittenfahren-Fußkaputt-Tschüsstschüsstschüss- Zimtschnecken-Tbilisi“

Spontanes Brainstorming über meine Oslo-Reise ergab dieses Gedankengequirle.

Ja, Oslo.
Ja, wieder mal auf Reisen.
Ja, wieder mal musste ich nicht alles selbst zahlen.
Ja, ich bin ein Glückskind, weeeil:

Ich war beim Alumni-Treffen des „Deutsch-Norwegischen Jugendforums“ (DNJF), bei dem ich 2010 teilgenommen hatte. Der Name sagt eigentlich schon das Wesentliche: Deutsche und Norwegische Jugendliche treffen sich einmal im Jahr und machen das, was man bei solchen Gelegenheiten eben macht – diskutieren, Energizer, Workshops, Lustige Spiele, Quatschen, Nächte durchmachen, sich gegenseitig sympathisch finden, „Wie, die vier Tage sind schon rum?“-Fragen, hektische Abschiedsumarmungen, nach Hause fliegen. Und das bezahlt dann irgendein Sponsor, in unserem Fall hauptsächlich Eon-Ruhrgas, was ich ziemlich toll von ihnen finde.

Beim Alumni-Treffen ist das so ähnlich. Diesmal musste man zwar seinen Flug selbst zahlen, aber was soll’s. Im November – in Sankt Petersburg – hatte ich mich auf den letzten Drücker noch dazu entschieden, mich anzumelden. Im Januar hab ich dann meinen Flug gebucht. Das eigentliche Treffen ging von Freitag bis Sonntag, ich bin schon Mittwoch hingeflogen, damit es sich auch richtig lohnt.

Also habe ich am Dienstag schnell das Nötigste gepackt und bin Mittwoch ganz, ganz früh zum Flughafen gefahren und losgeflogen. Wegen Zeitverschiebung und allem war ich dann am Spätnachmittag in meinem Hostel (übrigens nicht wirklich empfehlenswert, sehr unpersönlich und groß, nicht gerade ein gemütliches Hostel mit Atmosphäre). Tja, und dann kam erstmal „Crash-Boom-Kulturschock“.
Das Hostel liegt in einer Gegend, die von Parks, Bioläden, kleinen alternativen Designer-Läden, eben solchen Cafés und jungen, trendigen Familien mit dem nötigen Kleingeld beherrscht wird. Es ist wirklich schön dort, aber einen krasseren Gegensatz zu Georgien hätte ich mir kaum raussuchen können. Am Donnerstagmorgen laufe ich dementsprechend fassungslos herum. Ja, ich war schon mal in Norwegen, ich weiß durchaus, dass es Nordeuropa ist und somit westlicher als Westeuropa (anders gesagt schweineteuer). Ich weiß auch, dass man dort halt einfach mehr Geld hat. Ich weiß auch eigentlich, dass Georgien einfach in allem ein gutes Stück östlicher ist – bröckeliger, unperfekter, dreckiger, chaotischer, lauter, billiger, improvisierter. Aber Wissen und Erleben sind nunmal zwei verschiedene Dinge. Es war wieder ein Moment, der mir zeigte, wie sehr ich in Georgien angekommen bin.

Ich laufe herum, werde nicht angestarrt wegen meiner roten Haare, werde nicht gefragt, ob ich aus Amerika komme, werde auf Englisch statt auf Russisch im Laden bedient, alle paar Minuten entfährt mir ein leises „Vaime!“.

Anfangs rechne ich die Preise noch um – nicht in Euro, sondern in Lari. Nach kurzer Zeit lasse ich das aber, weil ich genau weiß, dass ich die Dinge für so einen Preis in Georgien einfach NIE kaufen würde. 32 Kronen für ein Gebäckstück – durch vier teilen -  8 Lari für EIN Gebäckstück? Never!

„Ankommen-Kopfschüttelkopfschüttelkopfschüttel“. Ich wohne erst seit einem halben Jahr in Georgien, deswegen hat mich die Situation nicht komplett überfordert. Nach einem Tag bin ich schon wieder ziemlich drin in Westeuropa: Ich schlendere durch Shopping-Straßen, es zieht mich – wie immer – an den Hafen, ich gucke mir ein paar Teile von Oslo an, die ich bisher noch nicht gesehen hatte. Das Wetter ist traumhaft, Oslo gefällt mir genauso gut wie die beiden Jahre davor. Über manche Dinge schüttel ich immer noch den Kopf (das Supermarktangebot), andere Dinge finde ich „unglaublich norwegisch“ und genau darum toll.
Eine Sache zum Beispiel, die ich am Hafen entdeckt habe:
„Oslo’s greeting to the future 
As part of the celebration of the City of Oslo’s 1000 years jubilee in the year 2000, the citizens were invited to place postcards, letters and other items in time capsules in the Town Hall square on New Year’s eve 1999. The greetings should be stored for a 1000 years and be passed on to the citizens of the year 3000. […]”
Ziemlich geniale Idee, finde ich. Diese ganzen Briefe und Karten wurden imprägniert und generell darauf vorbereitet, 1000 Jahre aufbewahrt zu warden, und dann in einen Leuchtturm mitten im Hafen gesteckt. Das nenn ich mal Nachhaltigkeit!

Wiedersehensfreude. Von meinem Jahrgang (2010) sind leider nur etwa 10 Leute dieses Mal dabei, aber über diese 10 freue ich mich umso mehr. Dazu kommen noch etwa 35 andere, die ich noch nicht kannte. Es war einfach eine gut gemischte Gruppe aus Deutschen und Norwegern.

Spaßspaßspaß- Bankrott?. Das Programm ist ziemlich locker angelegt, wir haben viel Zeit zum quatschen, Stadt angucken, Fotos machen, an Norwegisch scheitern, naja, was man halt so macht. Wie immer kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo man Dinge wie Währungsrechner, Kontoauszüge und teuer aus seinem Wortschatz streicht, ab das wird es sogar noch besser. Die ganze Zeit haben wir dieses unglaublich perfekte Wetter. Hach, es war echt gut.

Schlittenfahren-Fußkaputt-Tschüsstschüsstschüss. Am Sonntag ist das offizielle Programm vorbei, mein Flug – und der von den Hamburgern und Frankfurtern – geht jedoch erst abends. Was also tun? Gepäck von sieben Leuten in ein Gepäckfach quetschen (nach Rückbesinnung auf Wechselkurse und Kontostände). Hoch auf den Holmenkollen, das ist die berühmte Skischanze in bzw. eher neben Oslo. Da kann man bequem mit der U-Bahn (die dann allerdings nicht besonderns untergründig ist) hochfahren, fantastische Aussichten genießen und vor allem Schlitten ausleihen. Tja, was folgte, war die mit gewaltigem Abstand beste Schlittenfahrt meines Lebens. Zwei Kilometer komplett vereiste „Piste“, ab und an eine Absperrung in den krassesten Kurven um zu retten, wer nicht mehr zu retten ist. Rasante Abfahrten, gerade-noch-so-Rettungen, waaaaah-Geschreie, Adrenalin, Hysterie, Oh-Nein-die-fette-Eiche-ist-direkt-vor-uns, Alter-das-war-knapp, Auaaaa, Achtung-Foto, Achtung-Baum, Achtung-anderer-Schlittenfahrer. Yeahyeahyeah!! Echt einfach unbeschreiblich! Tja, und dann muss ich leider bei einer der gerade-noch-so-Rettungen mit meinem Fuß bremsen, sodass der Schlitten mit mir und Nelly drauf genau über meinen Knöchel fährt und wir uns so richtig schön hinlegen. Ergebnis: Schwarzerblauer, geschwollener, tauber Fuß bei mir, schwarzblaue untere Körperhälfte bei Nelly. No risc, no fun, Leute!

Mit nem fetten Grinsen und mehr oder weniger großen Blessuren geht’s dann zurück zum Bahnhof und schon wieder zum Flughafen. Im Zug steigt die wohl größte „Après-Schlitten-Party“, die die freundlichen (und das ist wirklich keine Ironie!) Bahnangestellten je gesehen haben. Schuhe und Schlittenfahrer werden so gut es geht trockengelegt, schmerzende Körperteile untersucht, das Gefühl kehrt in andere Körperteile (Fingerspitzengefühl, Wortspiel des Jahres!) zurück, mein Fuß bleibt taub.
Und dann heißt es für mich endgültig Abschied nehmen von den versprenkelten Resten der Teilnehmer, die zurück nach Deutschland fliegen. Es ist komisch, traurig. Komisch, weil ich normalerweise ja auch nach Frankfurt geflogen wäre. Traurig, weil ich die Leute jetzt schon vermisse. Aber es fühlt sich auch ganz natürlich an, dass ich nach Tbilisi fliege. Beim Umsteigen in Riga sehe ich die ersten Georgier, fühle mich heimisch.

Zimtschnecken-Tbilisi. Tja, und schon bin ich wieder zu Hause. Zu Hause, wo es am nächsten Morgen Zimtschnecken zum Frühstück gibt. Zu Hause, wo ich mich schon auf Chatschapuri freue. Da, wo die Arbeit wieder los geht und der Winter in meiner Abwesenheit auf magische Weise verschwunden ist.
Leute, es war toll mit euch, und nächstes Jahr sehen wir uns auf der Hütte!

[Fotos kommen morgen noch dazu]

Same procedure as every year

Guten Tag, die Sonne scheint, der Frühling ist da – Zeit, mal wieder Zeit vorm PC zu verbringen und ein bisschen was zu erzählen also;)



Jetzt sitze ich und es ist März. Wie konnte das denn bitte passieren? Wo sind denn Januar und Februar hin? Als ich mich das fragte, ist mir aufgefallen, dass es so doch jedes Jahr ist. Januar und Februar sind immer so Nichts-Monate. 2011 zum Beispiel: Im März habe ich Abi gemacht, im April gearbeitet, im Mai war ich in Mazedonien und hatte Mündliches Abitur sowie Abiball, danach war ich drei Monate lang auf verschiedene Weisen im Urlaub, September war Abflugsmonat, im Oktober sind wir jedes Wochenende durch Georgien getingelt, im November hatten wir Zwischenseminar in Russland, im Dezember war Weihnachten. Und im Januar/Februar 2011? Keinerlei Erinnerung. In den Jahren davor ist es ähnlich. Letztendlich ist man im Januar/Februar einfach immer damit beschäftigt, das alte Jahr Revue passieren zu lassen, sich beim Datum immer zu verschreiben, den Winter zu verfluchen, den Frühling herbeizuwünschen und sich zu wundern, dass der Februar so kurz ist. Was kann ich also daraus schließen, dass mir die letzten beiden Monate so diffus vorkommen? Ganz einfach, dass es so ist wie jedes Jahr und dass ich somit endgültig im Alltag angekommen bin, dass ich hier nicht im Urlaub bin, sondern dass ich hier wohne und lebe. Ziemlich toll, finde ich.

Ein ganz kleines bisschen kann ich über den Februar aber doch schreiben:
In den letzten Wochen war es in Tbilisi eher ungemütlich: Kälte, Unmotivation, Bürokratiehindernisse beim Schüleraustauschprojekt und auch ein bisschen Grippe machen mürbe. Dazu kam, dass wir unfreiwillig alle ein bisschen die Tage zählten, die Lisa (Mitfreiwillige) noch in Georgien hatte. Anders gesagt, es war eben Winter, der kälteste in Georgien seit Jahrzehnten. 
Wir haben unser bestes gegeben, um da ein bisschen rauszukommen aus dem Loch, lecker gekocht, viel in Cafés gewesen, andere Freiwillige in Temi/Ostgeorgien besucht und all sowas, aber wirklich gut hat es nicht geklappt. Letztendlich haben wir von all den Plänen, die wir vor Lisas Abreise noch hatten, nur ziemlich wenig gemacht, aber was soll’s, es kann ja nicht immer nur Action geben.
Dazu hatten Lara und ich die ganze Zeit im Hintergrund, dass wir irgendwie neue Mitbewohner brauchen (die Wohnung hat vier Schlafzimmer…), in der Schule hatte ich öfter das Gefühl, nichts zu tun zu haben.
Ach, alles in allem gabs einfach ne Menge Kleinigkeiten, die nicht so toll liefen.
Und dann ging alles ganz schnell: Lisas letztes Wochenende, dass erst mit einer recht chaotischen aber lustigen WG-Party und dann mit einem offizielleren Abschiedsessen gefeiert wurde, unser letzter Abend zu fünft, packen, lauter Kleinigkeiten erledigen, die Nacht durchmachen und dann ging auch schon mein Flug: Endlich mal wieder raus aus Georgien, nach OSLO! 

Das machen eigentlich eher die Opas hier, sobald die Sonne rauskommt. Für Lisas Abschiedsgeschenk haben wir uns dazu gesetzt und damit uns und den Opas Lachkrämpfe beschert!
Jetzt sieht das Ganze hier schon wieder ganz anders aus, aber ich dachte mir, dass ich das der Vollständigkeit halber doch auch mal kurz erwähnen sollte. Und jetzt gibt's - wie versprochen - echt mal wieder optimistische, gut gelaunte, fröhliche, Spaß machende Posts!