Samstag, 3. März 2012

Einmal Westen und zurück - Oslo die Dritte

„Crash-Boom-Kulturschock-Ankommen-Kopfschüttelkopfschüttelkopfschüttel-Wiedersehensfreude-Spaßspaßspaß- Bankrott?-Schlittenfahren-Fußkaputt-Tschüsstschüsstschüss- Zimtschnecken-Tbilisi“

Spontanes Brainstorming über meine Oslo-Reise ergab dieses Gedankengequirle.

Ja, Oslo.
Ja, wieder mal auf Reisen.
Ja, wieder mal musste ich nicht alles selbst zahlen.
Ja, ich bin ein Glückskind, weeeil:

Ich war beim Alumni-Treffen des „Deutsch-Norwegischen Jugendforums“ (DNJF), bei dem ich 2010 teilgenommen hatte. Der Name sagt eigentlich schon das Wesentliche: Deutsche und Norwegische Jugendliche treffen sich einmal im Jahr und machen das, was man bei solchen Gelegenheiten eben macht – diskutieren, Energizer, Workshops, Lustige Spiele, Quatschen, Nächte durchmachen, sich gegenseitig sympathisch finden, „Wie, die vier Tage sind schon rum?“-Fragen, hektische Abschiedsumarmungen, nach Hause fliegen. Und das bezahlt dann irgendein Sponsor, in unserem Fall hauptsächlich Eon-Ruhrgas, was ich ziemlich toll von ihnen finde.

Beim Alumni-Treffen ist das so ähnlich. Diesmal musste man zwar seinen Flug selbst zahlen, aber was soll’s. Im November – in Sankt Petersburg – hatte ich mich auf den letzten Drücker noch dazu entschieden, mich anzumelden. Im Januar hab ich dann meinen Flug gebucht. Das eigentliche Treffen ging von Freitag bis Sonntag, ich bin schon Mittwoch hingeflogen, damit es sich auch richtig lohnt.

Also habe ich am Dienstag schnell das Nötigste gepackt und bin Mittwoch ganz, ganz früh zum Flughafen gefahren und losgeflogen. Wegen Zeitverschiebung und allem war ich dann am Spätnachmittag in meinem Hostel (übrigens nicht wirklich empfehlenswert, sehr unpersönlich und groß, nicht gerade ein gemütliches Hostel mit Atmosphäre). Tja, und dann kam erstmal „Crash-Boom-Kulturschock“.
Das Hostel liegt in einer Gegend, die von Parks, Bioläden, kleinen alternativen Designer-Läden, eben solchen Cafés und jungen, trendigen Familien mit dem nötigen Kleingeld beherrscht wird. Es ist wirklich schön dort, aber einen krasseren Gegensatz zu Georgien hätte ich mir kaum raussuchen können. Am Donnerstagmorgen laufe ich dementsprechend fassungslos herum. Ja, ich war schon mal in Norwegen, ich weiß durchaus, dass es Nordeuropa ist und somit westlicher als Westeuropa (anders gesagt schweineteuer). Ich weiß auch, dass man dort halt einfach mehr Geld hat. Ich weiß auch eigentlich, dass Georgien einfach in allem ein gutes Stück östlicher ist – bröckeliger, unperfekter, dreckiger, chaotischer, lauter, billiger, improvisierter. Aber Wissen und Erleben sind nunmal zwei verschiedene Dinge. Es war wieder ein Moment, der mir zeigte, wie sehr ich in Georgien angekommen bin.

Ich laufe herum, werde nicht angestarrt wegen meiner roten Haare, werde nicht gefragt, ob ich aus Amerika komme, werde auf Englisch statt auf Russisch im Laden bedient, alle paar Minuten entfährt mir ein leises „Vaime!“.

Anfangs rechne ich die Preise noch um – nicht in Euro, sondern in Lari. Nach kurzer Zeit lasse ich das aber, weil ich genau weiß, dass ich die Dinge für so einen Preis in Georgien einfach NIE kaufen würde. 32 Kronen für ein Gebäckstück – durch vier teilen -  8 Lari für EIN Gebäckstück? Never!

„Ankommen-Kopfschüttelkopfschüttelkopfschüttel“. Ich wohne erst seit einem halben Jahr in Georgien, deswegen hat mich die Situation nicht komplett überfordert. Nach einem Tag bin ich schon wieder ziemlich drin in Westeuropa: Ich schlendere durch Shopping-Straßen, es zieht mich – wie immer – an den Hafen, ich gucke mir ein paar Teile von Oslo an, die ich bisher noch nicht gesehen hatte. Das Wetter ist traumhaft, Oslo gefällt mir genauso gut wie die beiden Jahre davor. Über manche Dinge schüttel ich immer noch den Kopf (das Supermarktangebot), andere Dinge finde ich „unglaublich norwegisch“ und genau darum toll.
Eine Sache zum Beispiel, die ich am Hafen entdeckt habe:
„Oslo’s greeting to the future 
As part of the celebration of the City of Oslo’s 1000 years jubilee in the year 2000, the citizens were invited to place postcards, letters and other items in time capsules in the Town Hall square on New Year’s eve 1999. The greetings should be stored for a 1000 years and be passed on to the citizens of the year 3000. […]”
Ziemlich geniale Idee, finde ich. Diese ganzen Briefe und Karten wurden imprägniert und generell darauf vorbereitet, 1000 Jahre aufbewahrt zu warden, und dann in einen Leuchtturm mitten im Hafen gesteckt. Das nenn ich mal Nachhaltigkeit!

Wiedersehensfreude. Von meinem Jahrgang (2010) sind leider nur etwa 10 Leute dieses Mal dabei, aber über diese 10 freue ich mich umso mehr. Dazu kommen noch etwa 35 andere, die ich noch nicht kannte. Es war einfach eine gut gemischte Gruppe aus Deutschen und Norwegern.

Spaßspaßspaß- Bankrott?. Das Programm ist ziemlich locker angelegt, wir haben viel Zeit zum quatschen, Stadt angucken, Fotos machen, an Norwegisch scheitern, naja, was man halt so macht. Wie immer kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo man Dinge wie Währungsrechner, Kontoauszüge und teuer aus seinem Wortschatz streicht, ab das wird es sogar noch besser. Die ganze Zeit haben wir dieses unglaublich perfekte Wetter. Hach, es war echt gut.

Schlittenfahren-Fußkaputt-Tschüsstschüsstschüss. Am Sonntag ist das offizielle Programm vorbei, mein Flug – und der von den Hamburgern und Frankfurtern – geht jedoch erst abends. Was also tun? Gepäck von sieben Leuten in ein Gepäckfach quetschen (nach Rückbesinnung auf Wechselkurse und Kontostände). Hoch auf den Holmenkollen, das ist die berühmte Skischanze in bzw. eher neben Oslo. Da kann man bequem mit der U-Bahn (die dann allerdings nicht besonderns untergründig ist) hochfahren, fantastische Aussichten genießen und vor allem Schlitten ausleihen. Tja, was folgte, war die mit gewaltigem Abstand beste Schlittenfahrt meines Lebens. Zwei Kilometer komplett vereiste „Piste“, ab und an eine Absperrung in den krassesten Kurven um zu retten, wer nicht mehr zu retten ist. Rasante Abfahrten, gerade-noch-so-Rettungen, waaaaah-Geschreie, Adrenalin, Hysterie, Oh-Nein-die-fette-Eiche-ist-direkt-vor-uns, Alter-das-war-knapp, Auaaaa, Achtung-Foto, Achtung-Baum, Achtung-anderer-Schlittenfahrer. Yeahyeahyeah!! Echt einfach unbeschreiblich! Tja, und dann muss ich leider bei einer der gerade-noch-so-Rettungen mit meinem Fuß bremsen, sodass der Schlitten mit mir und Nelly drauf genau über meinen Knöchel fährt und wir uns so richtig schön hinlegen. Ergebnis: Schwarzerblauer, geschwollener, tauber Fuß bei mir, schwarzblaue untere Körperhälfte bei Nelly. No risc, no fun, Leute!

Mit nem fetten Grinsen und mehr oder weniger großen Blessuren geht’s dann zurück zum Bahnhof und schon wieder zum Flughafen. Im Zug steigt die wohl größte „Après-Schlitten-Party“, die die freundlichen (und das ist wirklich keine Ironie!) Bahnangestellten je gesehen haben. Schuhe und Schlittenfahrer werden so gut es geht trockengelegt, schmerzende Körperteile untersucht, das Gefühl kehrt in andere Körperteile (Fingerspitzengefühl, Wortspiel des Jahres!) zurück, mein Fuß bleibt taub.
Und dann heißt es für mich endgültig Abschied nehmen von den versprenkelten Resten der Teilnehmer, die zurück nach Deutschland fliegen. Es ist komisch, traurig. Komisch, weil ich normalerweise ja auch nach Frankfurt geflogen wäre. Traurig, weil ich die Leute jetzt schon vermisse. Aber es fühlt sich auch ganz natürlich an, dass ich nach Tbilisi fliege. Beim Umsteigen in Riga sehe ich die ersten Georgier, fühle mich heimisch.

Zimtschnecken-Tbilisi. Tja, und schon bin ich wieder zu Hause. Zu Hause, wo es am nächsten Morgen Zimtschnecken zum Frühstück gibt. Zu Hause, wo ich mich schon auf Chatschapuri freue. Da, wo die Arbeit wieder los geht und der Winter in meiner Abwesenheit auf magische Weise verschwunden ist.
Leute, es war toll mit euch, und nächstes Jahr sehen wir uns auf der Hütte!

[Fotos kommen morgen noch dazu]

2 Kommentare:

  1. BÄÄÄM!
    Die Beschreibung vom Schlittenfahren triffts perfekt!
    Ich freu mich auch schon auf die Hütte und dann bringst du mal ein par Zimtschnecken mit :)
    Liebe Grüße
    Janne

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  2. Schöner Bericht, ich möchte auch unbedingt mal nach Oslo!

    Viele Grüße
    aotearoa

    www.welten-bummler.blogspot.com

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