Sonntag, 22. April 2012

Mein Name ist Nuga, ich weiß von nichts - mal was über Georgisch

გამარჯობა, როგორა ხარ?

Na, beeindruckt? Ja, die georgische Schrift ist wunderschön, da gibt es keinen Zweifel. Oben das wird übrigens "Gamardschoba, rogora char?" ausgesprochen und bedeutet einfach nur "Hallo, wie geht's?". Das ist die Standartbegrüßung und man beantwortet das dann einfach mit "k'argad, schen?" (Gut, und dir?). Soweit, so gut, so einfach. 

Ich wollte schon sehr lange mal was über die georgische Sprache schreiben, weil ich danach von verschiedenen Leuten immer wieder gefragt werde, also hier ein paar Antworten.

"Ra gkwia?"  - Wie heißt du?
Ja, ich kann ein bisschen georgisch. Ja, ich verstehe schon eine Menge. Aber das heißt nicht, dass die Menge mich versteht. Es gibt da einen Klassiker, der ein gutes Beispiel ist. Ich komme mit einem Georgier ins Gespräch, man fragt irgendwann nach dem Namen. In Georgien gibt es viele Namen sehr, sehr häufig (dazu wann anders mal mehr), ich verstehe die Namen also meist problemlos, weil ich sie auch schon hundertmal gehört habe. Andersrum ist das nicht so einfach. Schon in Deutschland verstehen viele meinen Namen nicht beim ersten Mal (Lora? Laura?), hier ist das noch extremer. Wenn ich also auf die Frage „Ra gkwia?“ mit der deutschen Aussprache von „Nora“ antworte, ernte ich einen verständnislosen Blick. Und aus einem mir nicht verständlichen Grund verstehen alle immer „Nuga“. Deswegen stelle ich mich jetzt manchmal Leuten, die mein Name gar nichts angeht (Stichwort Taxifahrer) einfach schon als Nuga vor.
Wenn ich will, dass sie meinen Namen verstehen, gibt es zwei Möglichkeiten, die ja nach Situation ins Spiel kommen.
a)      Mein Gegenüber spricht Englisch. Dann spreche ich meinen Namen erst mal englisch aus. Falls das nicht hilft, sage ich mein Sprüchlein „Like Norah Jones“ und dann ist die Sache meist klar.
b)      Mein Gegenüber spricht kein Englisch. Dann spreche ich meinen Namen georgisch aus, also mit gerolltem (fake-gerolltem, ich kann das ja nicht) R aus. Dann hellt sich die Miene meist auf und ich bekomme die Antwort, dass das ja auch ein georgischer Name sei, aber hier nur Omas so heißen würde. Ich lächle dann verständnisvoll und sage „Wizi, wizi“ (ich weiß). Ich hab zwar noch nie eine georgische Oma namens Nora getroffen, aber ich kenne auch keine Oma namens Waltraud.

Ist das nicht wie Russisch?
Nö, isses nicht. Als ich letzten April erfahren habe, dass ich nach Georgien gehen werde, dachte ich ja erstmal „Ist das nicht in Russland?“ und all sowas, was eben eigentlich alle denken, die nichts mit Georgien zu tun haben. Und dann habe ich Wikipedia befragt, auf den Link zu „kartuli ena“ (georgische Sprache) geklickt und geschluckt. „Das Georgische gehört mit Mingrelisch, Lasisch und Swanisch zu den südkaukasischen Sprachen. Zur Schreibung der georgischen Sprache wird die Alphabetschrift Mchedruli verwendet, welche 33 Buchstaben besitzt.
Ja wie, nicht slawisch? Ja hä, was ist denn bitte Mingrelisch, Lasisch und Swanisch? Ja was zur Hölle, nicht mal kyrillisch?

Ist das nicht total schwierig mit der Schrift?
Wie gesagt, mein erster Kontakt mit der georgischen Sprache fand bei Wikipedia statt. Im Artikel zur Georgischen Sprache gibt es nämlich einen Link zur „Alphabetschrift Mchdruli“. Als ich darauf klickt, habe ich wiederum geschluckt. Und die Schriftgröße vergrößert und vergrößert und akzeptiert, dass wirklich jeder Buchstabe gleich aussieht.
Die Schreibrichtung der georgischen Schrift ist von links nach rechts.“ Na wenigstens etwas, dachte ich mir.
Ich habe mit dem Üben des Alphabets erst beim Vorbereitungsseminar angefangen und es dann nach etwa zwei Wochen hier in Georgien ganz gut drauf gehabt. Ist ja nicht so, als hätte man früher nicht selbst ständig Geheimschriften erfunden. Und die Schrift ist ja auch wirklich hübsch (und überhaupt ist unsere Schrift viel toller als die von den blöden Armeniern!! – aber zu Patriotismus wollte ich mich auch an anderer Stelle nochmal äußern).
Mittlerweile bin ich natürlich wirklich an die Schrift gewöhnt, schreiben geht sehr schnell, leise lesen auch, vorlesen ist dann schon ein anderes Kaliber, aber es wird immer besser. Es ist sogar so, dass es mir schon schwerfällt, georgische Wörter in deutscher oder englischer Transkription (also gamardschoba anstelle von გამარჯობა) zu schreiben, weils einfach nicht passt, wie ich finde.
Wenn Georgier mitkriegen, dass ich georgisch lesen und schreiben kann, sind sie meist sehr verblüfft und sagen, dass ich ganz, ganz, ganz toll schreiben könnte. Ich vermute, dass es etwa aussieht wie eine typische, runde Kindergrundschulschrift: Leserlich und übertrieben ordentlich, ohne jegliche persönliche Note. Keine Handschrift, sondern ein Kopie, gemischt aus der Handschrift meiner Georgischlehrerin und der Computerdruckschrift, mit ein paar ästhetischen Veränderungen meinerseits.
Ach, georgisch schreiben macht so Spaaaß!!


Lernt man das nicht einfach so nebenbei?
Nä. Echt nicht. Und zwar aus hauptsächlich zwei Gründen:
a)      Ich spreche zu viel Deutsch und zu wenig Georgisch. Ich wohne mit Deutschen und Österreichern (und zeitweise Franzosen) zusammen, spreche also zu Hause Deutsch und Englisch. Ich arbeite als Deutschlehrerin, zusammen mit georgischen Deutschlehrerinnen. Ich spreche also auf der Arbeit überwiegend Deutsch. Viele meiner georgischen Freunde sprechen annähernd perfekt Deutsch, ich spreche also mit ihnen Deutsch. Ich spreche Georgisch, wenn ich einkaufen gehe, Taxi fahre, unterwegs bin. Den Winter über war das vor allem auf Einkaufen und Taxi fahren beschränkt und in Tbilisi braucht man dazu nicht unbedingt Georgisch. „Ich hätte gerne“, „Was kostet das?“, „Ein Kilo Möhren, bitte?“, „Wo ist das Mehl?“, „Haben Sie Eier?“ und „Nach Saburtalo bitte!“ ist ein Vokabular, mit dem man in jedem Land sehr gut zurecht kommt. Und das Vokabular, das ich nach wenigen Wochen locker drauf hatte. Mehr brauchte ich im Winter wirklich nicht. Jetzt ändert sich das ein bisschen, weil wir wieder mehr Ausflüge machen und die Leute außerhalb von Tbilisi meist nur russisch und georgisch können. Es wird also besser.
b)      Georgisch ist eine sau schwere Sprache. Fragt mal einen Linguisten, der wird es euch bestätigen. Es gibt sieben Fälle, gefühlte drei Regeln im Gegensatz zu drei Millionen Ausnahmen, etwa jeden Laut dieser Welt, keinerlei Ähnlichkeit zu Deutsch, Englisch, Latein oder sonstwas, was man im Ohr hat und vor allem einfach keine Menschen, die es lernen und deswegen auch wenige, die es lehren. Ich bin ja jetzt so ein bisschen drin im Metier der Sprachenlehrer und es gibt einfach richtig gut Deutsch-Lern-Bücher, die eine sinnvolle Reihenfolge, was Wortschatz und Grammatik angeht haben. Dasselbe gilt für Englisch, Französisch, Chinesisch und was weiß ich. Aber wenn niemand eine Sprache lernen will, dann weiß eben auch niemand, wie man diese Sprache unterrichtet.
Wir haben uns in den letzten Wochen im Sprachkurs zum Beispiel mit Verben beschäftigt. Unmöglich, das zu lernen, ich sags euch. Selbst, wenn man mühsam eine Konjugation im Präsens gelernt hat, erkennt man das Wort nicht wieder, wenn es in der Vergangenheit auftaucht, geschweige denn, dass man eine Vergangenheitsform selbst bilden könnte.
Jede Vokabel muss man sich einzeln in den Kopf hauen und improvisieren geht einfach nicht, weil eben kein Wort klingt wie irgendwas, was man kennt: mk’lawi heißt Arm,  mk’erdi heißt Brust, kein anderes Körperteil fängt mit mk‘- an. In Französisch kann man immer versuchen, ein lateinisches Wort französisch auszusprechen, hier funktioniert das einfach nicht.
Manche Wörter lernt man auf der Straße, ja, danke, hallo, tschüss. Sonst nichts, und das macht es mühsam.

Geht das in Georgien nicht auch mit Russisch/Englisch/Deutsch?
Jein. Mit Russisch geht es noch am besten, grad bei den Älteren. Früher war das einfach die zweite Muttersprache und deswegen können es die meisten. Die meisten Ausländer, die hier ne Weile sind, machen sich nicht die Mühe, georgisch zu lernen, sondern können Russisch. Ich hatte auch anfangs überlegt, Russisch statt Georgisch zu lernen, aber grad bei den Jüngeren kann man nicht voraussetzen, dass sie Russisch sprechen. Und ich finds auch schöner, die echte Sprache des Landes zu lernen.
Englisch ist hier gerade groß im Kommen, Saakaschwili (seines Zeichens Präsident) steht da ziemlich drauf, man will ja westlich werden. Der momentane Kurs sieht deswegen vor, dass die Kinder schon ab der zweiten Klasse Englisch lernen. Viele der Jugendlichen können also gut Englisch, bei den Älteren sieht das eher mau aus, aber das ist ja in Deutschland nicht anders.
Unerwartet viele Georgier sprechen sehr gut Deutsch. Ich käme nie auf die Idee, in nem Laden auf Deutsch zu bestellen, so viele sind es dann doch nicht, aber ich treffe sehr oft beim Weggehen oder so Leute, die in Deutschland gearbeitet oder studiert haben oder das vorhaben. Ich würde mich nicht auf Deutsch verlassen hier, aber es ist immerhin so verbreitet, dass man im Bus nicht auf Deutsch über andere lästern sollte.

Kartulad izi? - Du sprichst Georgisch?
Stellt euch das in einem Tonfall vor, der vollkommenes Unverständnis und Besorgnis um meinen Geisteszustand gemischt mit ein bisschen Bewunderung ausdrückt. So gehört von Taxifahrern, Verkäufern, 3.-5.-Klässlern und Kollegen.
„K’i, zota zota!“ Stellt euch das in einem Tonfall vor, der einen Hauch Stolz, sehr viel Unsicherheit, Amüsiertheit und auch Genervtheit ausdrückt. Das ist meine Antwort und bedeutet „Ja, ein bisschen.“
Es ist halt nicht üblich Georgisch zu lernen. Taxifahrer finden das tendenziell super und fragen dann nach einem gewissen Schema weiter: Woher kommst du, wie heißt du, was machst du hier, bist du verheiratet…? Das ist ein ziemlich gutes Training für mein Georgisch und mittlerweile bin ich dazu übergegangen, nicht immer dieselben (wahren) Antworten zu geben, sondern Geschichten zu erzählen. Dass ich aus Island komme. Dass ich Nuga heiße. Dass ich verheiratet bin. Das mein Mann Hanswurst heißt. Etc. pp. Interessante Fallstudien, gerade was die Herkunft angeht. Werde das noch weiter prüfen und irgendwann mal eine Statistik veröffentlichen, welches Land am besten ankommt.
Verkäufer glauben mir das nicht und antworten auf Russisch. (Vor allem auf die Frage „Ra r’irs es?“ – Was kostet das?) Dann antworte ich „Ar wizi rusuli, magram wizi zota kartuli“ (ich kann kein Russisch, aber ein bisschen Georgisch). Das glauben sie mir aber immer noch nicht, sondern zücken ihren Taschenrechner und tippen die Zahl ein. Kaum zu glauben, aber wahr, nach über 6 Monaten in diesem Land kann ich doch schon bis 100 zählen, Leute!! Naja, dann sage ich die Zahl auf Georgisch und sie nicken und sagen sie auf Russisch. Dann bezahle ich und sage „Nachwamdis“ (Tschüss) und sie gucken komisch und sagen auf Russisch tschüss. So ist das. Warum auch immer.
3.-5.Klässler finden das ziemlich lustig. Es kommt ja auch sehr überraschend, weil ich anfangs ja kein Wort georgisch konnte und jetzt dann vergleichsweise viel. Wenn sie also nach einer Vokabel fragen (Beispiel „waschli“) und ich statt des Lehrers antworte („Apfel!“), sind sie erst baff und fangen dann an, nur noch Georgisch mit mir zu reden. Ja nee Leute, so gut bin ich dann doch nicht! Wenn ich in einer Klasse zum ersten Mal auf Georgisch was an die Tafel schreiben, klatschen sie immer. Lustig, oder?
Kollegen finden das immer ein bisschen komisch, dass ich Georgisch lerne. Deutsch ist doch viel schöner!! Aber immerhin fragen sie mich mittlerweile schon auf Georgisch, ob ich auch einen Kaffee möchte (Qawa ginda?) und freuen sich, wenn ich auf Georgisch antworte (K’i, mez minda!).


Bist du wahnsinnig?
Fragen mich Georgier, weil ich Georgisch lerne. Ja. Vielleicht. Aber auch wenn es verdammt schwierig ist und auch zu einem großen Grad „sinnlos“ (weil man Georgisch halt ausschließlich in Georgien braucht), es macht halt einfach Spaß. 

1 Kommentar:

  1. ja, macht es!

    wenn du noch mit deinem Blog aktiv bist würde ich dich gerne ausfragen, wie es da so ist und was du gemacht hast xD

    und schön geschrieben :)

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