ungefähre Route |
Knapp viertausend Kilometer, sieben Sprachen mit drei verschiedenen Schriften, ein Meer und viele Berge liegen zwischen Tiflis und Engelrod. Für die einen bedeutet das etwa sechs Stunden Flugzeit, für die anderen etwa einen Monat Reisezeit. Ich gehöre zu den Anderen.
Elf Monate habe ich in der Hauptstadt der Republik Georgien gelebt und in einem war ich mir sicher: Flöge ich zurück, stände mir ein ordentlicher Rückkehrschock bevor. Darauf habe ich keine Lust, auf einen Monat Reisen hingegen schon. So packe ich am 1.August meine Sachen, wuchte mir den Rucksack auf den Rücken und fahre los.
Ich durchquere den Norden der Türkei, schaue mir verschiedene Ecken des Balkans an, mache einen Zwischenstopp in Slowenien und fahre dann über Österreich bis nach Berlin. Auf meiner Reise treffe ich viele Menschen aus allen Ecken der Welt, sehe schöne Städte und Strände, esse gut und günstig, schlafe in Bussen, Zügen, Hostels, Hotels und auf Isomatten – kurz gesagt: es gibt viele Fotos und noch mehr Geschichten.
Die Meisten, denen ich auf der Reise begegne, reisen von West nach Ost. Meine Richtung ist das Gegenteil und das prägt auch meine Wahrnehmung. Ich vergleiche die Länder nicht mit Deutschland, sondern mit Georgien; mir entfährt kein spontanes „Entschuldigung“ oder „Alter Schwede!“ sondern die georgische Variante mit „ukazravad“ und „vaime!“. Ich will mich mit dieser Reise auf Deutschland vorbereiten und an den Alltag in Deutschland erinnern. Das gelingt mir recht gut, denn in jedem Land gerate ich in die eine oder andere Situation, die mich denken lässt: „Typisch Europa!“ Die Fotos und Geschichten, die ich mitgebracht habe, sind geprägt von diesem immer wiederkehrenden Eindruck.
Straßenstände - oben Türkei, unten Georgien |
Mülltonnen - oben Georgien, unten Bulgarien |
die Schönheiten Rumäniens - oben ein Schloss in Transsilvanien, unten ein Cafe in Bukarest |
Da gefällt mir Bukarest schon besser. Während meines Jahres in Georgien habe ich die grauen Plattenbauten aus der kommunistischen Ära auf eine seltsame Art liebgewonnen. Außerdem, warum hat mir keiner von all den gemütlichen und kreativ gestalteten Cafés in Bukarest erzählt, den Parks, den schönen Ecken eben? Wahrscheinlich, weil man die erst mal suchen und finden muss und dafür eben nicht ein einziger Tag reicht. Ich habe das Gefühl, dass es mir – zumindest unter anderem – deswegen so gut gefällt, weil ich von „Osten“ komme und gerade nicht an die perfekte Schönheit touristischer Hauptstädte Europas gewohnt bin. Denn touristisch ist Bukarest wirklich nicht.
Spezialitäten Sloweniens, oben 'Pizza Burek', unten 'Kremsnita' |
Als ich ein paar Tage später in Slowenien ankomme, kann ich schnell nachvollziehen, warum die Slowenen sich nicht als Ost- sondern als Mitteleuropäer sehen: Mit Ljubljana erwartet mich eine gemütliche, kleine Hauptstadt, in der man für das Überqueren einer roten Ampel (als Fußgänger!) 50 Euro zahlt. Euro? Ach ja, das ist diese Währung, wo die Scheine so seltsam gedrungen aussehen und aus so komisch festem Papier bestehen; diese Währung, die ich noch vor einem Jahr nicht hätte beschreiben können – und wenn ich es doch versucht hätte, hätte ich die Worte „seltsam“ und „komisch“ sicherlich nicht in den Mund genommen. Eigentlich sollte Slowenien also das erste Land sein, in dem ich die Währung nicht mehr umrechnen muss, ich aber werde noch einige Wochen lang Euro in Lari (georgische Landeswährung) umrechnen.
Ein paar der Währungen, die mir auf der Reise begegneten - und der gute, alte Euro |
Ende August erreiche ich schließlich Deutschland und bin tatsächlich vorbereitet: Ich verstehe jedes Wort? Ist ja wie in Österreich. Strafgelder? Gibt’s auch in Slowenien. Fachwerk und malerische Kleinstädte kenne ich aus Rumänien. Das einzige, was mir ein bisschen fehlt, ist die Entspanntheit der Menschen, wie ich sie aus Georgien und eben dem Balkan kenne: Die Menschen sind verschlossen, die Bahnen überteuert und unpünktlich. Habe ich gerade über Unpünktlichkeit gemeckert? Nach 30 Tagen in überfüllten, quälend langsamen Zügen in Osteuropa, wo man mehrere Stunden Verspätung ganz normal einkalkuliert? Ich bin wohl doch deutscher und unentspannter, als ich dachte.
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