Ich habe wirklich lange überlegt, ob ich für ein Semester
nach Tbilisi zurückkehren soll. Ich habe wirklich lange ein Dokument auf meinem
Desktop liegen gehabt, das „Rückkehr oder Rückschritt“ hieß. Ich habe die
ersten Wochen, als ich wieder hier war, nicht den Mut gehabt, dieses Dokument
zu öffnen, weil ich die Argumente für „Rückschritt“ nicht schwarz auf weiß
lesen wollte. Die Argumente für „Rückkehr“ präsentierten sich mir schließlich
Schritt auf Tritt, mit allen Farben, Gerüchen, Geschichten, Gegenden, allem
Wahnsinn, den diese Stadt – zumindest mir – zu bieten hat.
Es ist dieselbe Stadt, es ist sogar dieselbe Wohnung und
dasselbe Zimmer. Ich kaufe denselben Wein bei derselben Weinfrau, gehe zum
selben Gemüsemann und sitze auch bei Kälte auf demselben Balkon.
Ich fahre mit anderen Buslinien, weil die Uni in einem anderen
Viertel ist als meine Arbeitsstelle damals. Ich rede fast kein Deutsch, weil
all die Deutschen von damals nicht mehr hier wohnen. Ich gehe in andere Bars,
weil unsere Lieblingsbar in unserer Straße nicht mehr dieselbe ist und es jetzt
besseres gibt. Es gibt mehr und mehr Momente in diesen Bars, wo wir die
Gespräche ins Georgische abgleiten lassen, ohne dabei die Tiefe, den Witz oder
auch die Oberflächlichkeit des Gesprächs zu verlieren. Es wird natürlicher, es
wird ab und zu, und immer öfter, möglich, meinen Humor auf Georgisch
auszudrücken. Ich gehe in einen anderen, riesigen, französischen Supermarkt,
weil der georgische bankrott ging. Ich spreche nicht mehr so viel über die
Homophobie in Georgien, das war das Thema des Sommer 2013, es gibt neue Themen.
Neue unangenehme Erfahrungen, neue Erkenntnisse, neue Probleme, neue
Schicksale.
Ich habe mittlerweile fast anderthalb Jahre hier gewohnt,
natürlich sehe ich nicht jeden Tag nur das leckere Essen, den günstigen Wein,
die Schönheit des Verfallenen. An manchen Tagen sehe ich nur das Fett im Essen,
den Zucker am Boden des Weinglases und die brutale Realität des Verfalls.
Es ist eine Rückkehr in gewohntes, es ist das Weitergehen
mit neuen Freunden, neuen Gegenden, neuen Momenten, es gibt nicht jeden Tag ein
neues Abenteuer, aber es fühlt sich jeden Tag richtig und richtiger an, dass
ich zurückgekehrt bin.
Umso besser, dass schon in einer Woche eine neue Rückkehr
auf Zeit ansteht. 2 Wochen voller Plätzchen, Völlerei, Geschenken,
Aschenbrödel, Sissi, dem kleinen Lord, allen jemals verfilmten Astrid Lindgren-
Geschichten, voll von Frankfurt, Engelrod, Berlin, Jena und Köln und den Leuten
dieser Orte werden es sein.
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