Donnerstag, 15. Dezember 2011

Weihnachten

Die vielen Adventskalender, dich in der letzten Zeit in der Schule gebastelt habe, sagen mir, dass es nur noch 9 Tage bis Weihnachten sind. Mein Zeitgefühl sagt mir schon seit einiger Zeit jahreszeitentechnisch gar nichts mehr. Seit dem Abitur war einfach alles so ungeregelt: Aus sechs Wochen Sommerferien wurden drei Monate herumreisen, die relativ nahtlos in die große Reise Georgien übergingen. Es gab keine Herbstferien, ohne Vorwarnung durch stürmischen Novemberregen war plötzlich mein Geburtstag da, dann war Russland, Kälte, Schnee, Winter. Und dann plötzlich Dezember, immer mehr Lichterketten und abstruse andere Weihnachtsbeleuchtung tauchte in Tbilisi auf. Dann kam der Tag, an dem all diese „ich weiß nicht, ob ich es absolut grässlich oder einfach nur kitschig übertrieben schön finde“- Lichtkonstruktionen angeschaltet wurden. So, jetzt ist dann wohl Vorweihnachtszeit?

Im Goodwill, dem Supermarkt, wo es vor allem deutsche Produkte gibt, findet man die üblichen Weihnachtssüßigkeiten. Das ein oder andere Schaufenster ist weihnachtlich dekoriert. Immer mal wieder hört man „Oh Tannenbaum“, neulich saßen wir tatsächlich mit unserer mittlerweile auf fünf Leute angewachsenen engsten deutschen Blubberblase in unserem Wohnzimmer, vor unserem Adventskranz, mit selbstgebastelten Weihnachtssternen und haben Weihnachtslieder gesungen.

Letztes Wochenende waren wir auf dem Weihnachtsmarkt der Botschaften, wo ich neben einem Schkoadventskalender für eine georgische Freundin auch eine Mininordmanntanne gekauft habe. Am Tag danach haben wir eine Plätzchenbacksession gestartet, die Ihresgleichen sucht.
Wenn man sich in unserer Wohnung umguckt, kann sehen, riechen (Plätzchen und Mandarinen) und fühlen (Kälte, aber keine Heizung), dass es Weihnachten wird. Aber so richtig fühlen kann ich das nicht. Es fehlen einfach so ein paar Dinge: Das Adventspaket von meiner Familie mit dem Christstollen, generell so familieninterne Traditionen, der Klausurenendspurt in der Schule, der Geschenkestress, all so was eben.
Ich weiß nicht genau, wie sich das an Weihnachten anfühlen wird, weg von zu Hause. Weihnachten ist eben doch der Tag, an dem man ganz genau weiß, was die „daheim“ gerade machen, wann sie aufstehen, was sie essen,… Letztes Jahr war meine ältere Schwester an dem Tag in Kanada, bei einer Familie. Ich werde irgendwo in Istanbul sein, bei einem Couchsurfer. Es wird total absurd sein, ich werde nicht per Skype dabei sein, wenn meine Familie ihre Geschenke auspackt oder so. Es ist ein komisches Gefühl.

Aber gleichzeitig freue ich mich schon wahnsinnig auf unseren (natürlich total verplanten) Türkeitrip. Heute hat eine Schülerin von mir die Bustickets für mich, Lisa (Mitbewohnerin), Lukas und Jasper (weltwärts-Freiwillige und in den letzten Wochen Teilzeitmitbewohner) bestellt. Etwa 25 Stunden werden wir durch Georgien und die Türkei tuckern, dann werden wir ein paar Tage a der Grenze zwischen Europa und Asien chillen, in den Bosporus springen, Döner essen, Weihnachten ignorieren oder feiern oder was auch immer und all die Dinge tun, die man halt so tut.

Es wird garantiert lustig, schön und aufregend sein. Und gleichzeitig vollkommen anders eben.

(Fotos von Weihnachtsdekor etc folgen – garantiert!)

Im Land des Weihnachtsmannes

Weihnachtsstimmung in Helsinki


Am Freitagabend war der Plan folgender: Ich wusste, wo meine Marschrutka abfahren würde,  meine finnische Freundin Asiya hatte meine Handy Nr und würde sich dann Samstagmorgen bei mir melden. Eigentlich kein Problem in Sicht. Aber mein Mini-Finnland-Trip wurde um einiges chaotischer als erwartet, dabei hatte ich bei der Konstellation Nora und Asiya schon einiges an Chaos erwartet.
Es begann mit der Marschrutkafahrt durch die Nacht. Um mich rum saßen nur Russen, alle Ansagen bezüglich Grenze, Pausen etc. wurden demnach auf Russisch gemacht und meine einfache Anweisung war „Follow the group!“. Also saß ich in der Marschrutka, stöpselte mir die Ohren zu, versuchte zu schlafen und folgte der Gruppe. Meine Erinnerung an die Fahrt ist sehr lückenhaft und verschwommen. Das liegt einerseits daran, dass ich von den Tagen davor vollkommen übermüdet war, andererseits daran, dass es zwischen Petersburg und Helsinki zwei Stunden Zeitunterschied gibt, obwohl die Städte sehr nah aneinander liegen. Eine Idee des russischen Präsidenten, die ich nicht so wirklich toll finde. Es verwirrt, sehr sogar.

Irgendwann in der Nacht kamen russische Grenzbeamte mit fetten Pelzmützen rein und kontrollierten die Pässe, ich glaube sogar mehrfach.
Irgendwann in der Nacht waren wir an einer Grenzstation. Die Gruppe ging hinein, ich folgte. Der weibliche Teil der Gruppe ging aufs Klo, ich folgte. Die Gruppe ging durch Kontrollen und wieder in der Marschrutka, ich folgte.
Irgendwann in der Nacht waren wir an einer anderen Grenzstation (ich vermute mal die finnische). Die Gruppe tat Dinge, ich folgte.
Irgendwann in der Nacht waren wir an einem Duty- Free- Shop. Die Gruppe ging shoppen, ich folgte, konnte mich aber davon überzeugen, dass es Rittersport auch in Finnland gibt und höchstwahrscheinlich billiger als dort.
Irgendwann am Morgen erreichten wir Helsinki und die Gruppe schlief noch zwei Stündchen in der Marschrutka. Und weil Marschrutkaschlaf bekanntlich der Gesündeste ist, folgte ich und schlief.

Als es dann neun Uhr Ortszeit war, Asiya sich noch immer nicht gemeldet hatte und die Gruppe sich auf zwei Leute inklusive mir reduziert hat, beschloss ich, mal eine eigene Entscheidung zu treffen. Ein Kaffee im McDonalds, sonst hatte noch nichts auf.
In den nächstes zwei Tagen gab es ein kleines Problem: Ich hatte Asiyas Nummer nicht und mein Handy funktionierte in Finnland einfach nicht. Sie wiederum hatte das Problem, dass sie nicht wusste, dass ihre SMS nicht ankamen, sie keine Möglichkeit hatte, ins Internet zu gehen und deswegen davon aus ging, dass ich meine relativ wagen Pläne "Ja du, wir sehen uns dann in Helsinki" umgeschmissen hatte. Erstmal war das ziemlich nervig, im Nachhinein finde ich es zwar schade, dass ich deswegen Asiya nicht wiedertreffen konnte, aber letztendlich hatte ich ein richtig schöne Zeit in Helsinki, die ich sonst nicht so gehabt hätte.
Wenn man mit einem riesigen Wanderrucksack im Winter durch Helsinki stampft, fällt man auf und lernt Leute kennen. Einen israelischen Ex-Basketballspieler zum Beispiel, der momentan einer Freundin bei einem Friseurstand aushilft und mir kostenloses Internet besorgte. Oder Chinesen, die man im Hostel trifft, in das man dann doch gehen musste. Oder Security-Leute am Bahnhof, die einem ein Hostel empfehlen. Oder oder oder. Es war meine erste „Allein reisen“-Erfahrung und es stimmt: Alleine lernt man doppelt so viele Leute kennen wie sonst. Weil man ja nicht alleine bleiben will und dementsprechend Leute kennen lernen will und muss.

Zur Stadt: Wie schon in Petersburg habe ich nicht viel vom Hellen gesehen, weil die Sonne gegen 10 auf und gegen 15 Uhr unter geht. Aber es weihnachtete sehr und die Finnen sind sehr stolz darauf, dass der Weihnachtsmann aus ihrem Land kommt. Also habe ich ein bisschen Weihnachtsmarktstimmung genossen, ein bisschen (viel) Geld ausgegeben (Euros sind ja SO ungewohnt!), und mich einfach durch die Stadt treiben lassen.

Helsinki war in zweierlei Hinsicht ein Abschluss: Erstens natürlich der Abschluss meiner Zwischenseminar-Extended-Reise, der Reise Richtung Westen. Anderseits machte es auch ein bisschen meine Skandinavientour vom Sommer komplett, wo ich Dänemark, Schweden und Norwegen erkundet hatte. Und auch Helsinki kommt mit Petersburg zusammen in die Kategorie „War da, muss nochmal hin“. Als ich in Helsinki dann in den Flieger Richtung Tbilisi stieg, war ich trotz all der schönen Stunden und Eindrücke in Russland und Finnland einfach nur froh, bald wieder zu Hause zu sein. Zu Hause, in Georgien.

Petersburg – Nachts

Caro und ich und die Blutskirche

Nein, es wird in diesem Blogeintrag nicht um die berühmten „Weißen Nächte“ gehen. Im Winter sind in Petersburg nämlich nicht nur die Nächte, sondern eigentlich auch die Tage schwarz.
Das führt unter anderem zu schwarzem Humor und der führt allgemein immer zu einer Menge Spaß. Und den hatten wir.

Der erste Abend war für die Banja (russische Sauna) reserviert. Und Banja könnte genauso gut SaunaXXL oder so heißen. Es gibt da die eigentliche Sauna, dann natürlich Umkleiden, Bad etc. Soweit, so gut. Aber das ist noch längst nicht alles. Eine russische Sauna bietet alles, was das Herz begehrt: Fitnessraum, Billiard, Bar, Doppelzimmer, …  Die Doppelzimmer führten zu zwei elementaren Fragen: „Kann man die Nutten an der Kasse zusammen mit Badeschlappen bestellen oder muss man die selbst mitbringen?“ und noch wichtiger: „Zahlt kulturweit das? Gehört das dann zu Übernachtungen? Oder zu ‚kulturelles Programm‘?“ Fragen über Fragen, die man bei einer guten Partie Profi-Billiard vergessen kann: „Wir machen das jetzt einfach so: Jeder Knall ein Punkt!“
Schon vor dem Saunagang wurde uns von den Laubbüscheln zum „Abklopfen“ erzählt. Naja, manche kennen den Unterschied zwischen abklopfen und zuschlagen nicht – aber hey, ist gut für die Durchblutung!
Die so entstandene gute Laune nahmen wir dann noch mit in eine schöne kleine Bar irgendwo in Petersburg, wo wir den Abend ausklingen ließen.

Nein, kein Goldfischglas - ein 3-Liter-Bier-Krug
Donnerstagabend stand dann mal „echte“ Kultur an: Der Nussknacker. Mein zweites Ballett (Schwanensee hatte ich in Tbilisi ja gesehen). Und ich fands richtig toll. Ich habe vom Ballett ja keine Ahnung, aber allein die Kulisse, die Kostüme und das Orchester. Ohja, da hab ich tatsächlich das gute alte Auswahlorchester vermisst:) Zwar waren einige von uns auch ein bisschen damit beschäftigt, nicht einzuschlafen, aber das heißt ja noch lange nicht, dass die Aufführung schlecht war.
Danach gingen wir typisch russisch japanisch essen: Sushi, für mich zum ersten Mal. Ich muss sagen, so richtig geil fand ich’s nicht. Umso besser war dann die Fortsetzung des Abend in einer richtigen russischen Kneipe, die uns Hannes (Freiwilliger in Petersburg) zeigte. Der erste Eindruck: Oha, die Russen! Auf den Tischen räkelten sich Polizisten, andere fotografierten das. Wir haben das dann einfach mal unter "andere Länder, andere Sitten" abgestempelt, ignoriert und das super Spezialangebot „Bestell 3 Liter Bier, spar 10%“ genossen. 
Zum bestellten Bier gab es Trockenfisch, der dafür, dass er tot und getrocknet war, noch ziemlich lebendig aussah. Man soll ja nicht mit Essen spielen, aber da wir die Fische eh nicht als essen ansahen… Ich lass mal die Fotos sprechen. Nach der legendären „Der Fischverteiler als solcher kämpft für Ethik und Moral!“-  Aktion auf den Straßen, Pfützen und Türschlössern Petersburg beendeten wir den Abend im Hostel mit dem letzten Rest des Chachas (georgischer Nationalschnaps). Daraus gelernt haben wir: Chacha gemischt mit frischem Früchtetee kann man machen, muss man aber nicht. Und direkt vorm Schlafengehen ergibt es auch nicht so richtig viel Sinn.



Am Freitagabend hieß es dann für mich schon wieder Abschied nehmen. Der Tag war der letzte Seminartag, wir alle schauten ein bisschen in die Zukunft, schrieben „To Do“- Listen und ich glaube, die meisten von uns hatten auch schon ein bisschen Heimweh nach ihrem Land. Nach dem offiziellen Ende starteten Caro und ich eine exzessive Shoppingtour: Weder in Novosibirsk noch in Tiflis gibt es schließlich H&M, außerdem musste Caro mir die besten russischen Läden empfehlen – ganz im Sinne von „in eine neue Kultur eintauchen“, finde ich;) Wir beendeten das ganze traditionell mit ein paar Blini, um dann noch ein bisschen Sightseeing zu machen. Eigentlich wollten wir uns noch mit ein paar anderen an der Basilika (Blutskirche) treffen, das klappte aber nicht. Na gut, machen wir eben ein paar „Ich war da“- Fotos und machen dann das, was wir immer machen: Mädchengespräche bei zwei Double Cappuccinos für den Preis von einem (was dann in etwa deutschen Preisen entspricht) im кофе хауэ! Dann hieß es für mich auch schon Abschied nehmen: ich wollte ja noch weiter nach Helsinki um dort meine Freundin Asiya, die ich aus Holland kenne, zu treffen. Ich hatte mir einen Platz in der Nacht-Marschrutka reservieren lassen und musste deswegen gegen 22 Uhr los.

So richtig kennengelernt habe ich eher die anderen Freiwilligen als Petersburg. Ein bisschen schade ist das zwar, aber meine Chancen, mir Petersburg bald nochmal genauer anzugucken, stehen gar nicht so schlecht: Allzu teuer sind die Flüge nicht und ich habe jetzt die besten Möglichkeiten, an ein Visum zu kommen:)